Ein Haus, so kompakt wie ein Schiff: Auf kleinster Fläche sind zwei Wohnungen gestapelt, die unterschiedlich kombiniert werden können. Das mittlere Geschoss mit den Schlafkojen und einem winzigen Bad lässt sich der unteren oder der oberen Wohnung zuschlagen. Das dreigeschossige Gebäude kann aber auch von einer Partei allein oder als Mehrgenerationenhaus benutzt werden. Die hohe Flexibilität gründet auf einer ebenso reduzierten wie raffinierten Tragstruktur in Beton, die auf dem gegebenen Grundstück ein Maximum an Wohnfläche herausholt.
Nur drei Elemente führen vertikal durch das ganze Haus und übernehmen damit auch die Aussteifung und Erdbebensicherheit: die schmale Kaskadentreppe, die als Torsionsrohr wirkt, der quadratische Kamin des Cheminées und die dreieckige Stütze, welche die Gebäudetechnik birgt. Das betonierte Giebeldach mit seinen geschlossenen Längsseiten und die Wandscheiben des Schlafgeschosses im Zusammenspiel mit den Geschossdecken ermöglichen die Auskragungen sowie die vollständige Verglasung der Wohngeschosse. Zur Stabilisierung dienen ein paar wenige Stützen. Sie sind im Grundriss quadratisch, teils um 45 Grad gedreht und in der oberen Wohnung deutlich breiter als das aufliegende Dach. Dadurch wirken sie als plastische, räumlich aktive Elemente und tragen zur verspielten Leichtigkeit bei, die den gesamten Entwurf auszeichnet. Im Gegensatz zur Tragstruktur in Sichtbeton, die überdies als Speichermasse dient und die Heizrohre enthält, bestehen alle nichttragenden Teile aus Holz. Zu diesen zählen neben den inneren Einteilungen auch die Gebäudehülle, die beiden stirnseitig vom Dach abgehängten Balkone und das allseitig auskragende Kaltdach, das auf dem aussen gedämmten Stahlbeton aufliegt. Wie bei einem Uhrwerk greifen die Holz- und Betonteile präzis ineinander. Durch die handwerklich meisterhafte Ausführung und das aussen mit einer Verwitterungslasur und innen grau gebeizte Holz entsteht eine gestalterische und atmosphärische Einheit. Je nach Licht und Abstand sind die Unterschiede zwischen den Holz- und Betonoberflächen dieses dreidimensionalen Puzzles kaum erkennbar.
In der Verwendung einer hybriden Konstruktion sieht die Jury auch für andere Bauaufgaben beträchtliches Potenzial: Jedes Material wird möglichst effizient und dort eingesetzt, wo es den grössten Nutzen erzielen kann. Heute, wo Verdichtung und Suffizienz Schlüsselbegriffe der Nachhaltigkeitsdebatte sind, kommt einer solchen Strategie erhebliche Bedeutung zu. Zudem ermöglicht die innere Flexibilität dieses Hauses sowie die Materialisierung eine langfristige Nutzung, die weit über den derzeitigen Gebrauch als Ferienhaus hinausweist. Diesen Aspekt diskutierte die Jury ebenso kritisch wie die Tatsache, dass es sich um einen Ersatzneubau handelt. Denn das Gebäude wurde an die Stelle eines Holzhauses gesetzt, das für die Besitzer nicht mehr zweckdienlich war. Es steht in zweiter Reihe, und wegen eines Durchfahrtsrechts schrumpfte die bebaubare Fläche auf fünf Meter Breite. Dank der vollständigen Transparenz der Wohngeschosse kommt trotz kleiner Fläche kein Gefühl der Enge auf. Vorhänge bieten einen variablen Schutz der Privatsphäre.
Den gesamten Text finden Sie in der Novmeber-Ausgabe von Das Ideale Heim.