Wie nur wenige hat Lina Bo Bardi die Architektur Brasiliens geprägt. Nun wurde die 1914 in Rom als Achillina Bo geborene Architektin und Designerin auf der diesjährigen Architekturbiennale 2021 in Venedig posthum mit dem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. In Architektur und Design sah Bo Bardi stets einen Weg, die Lebensverhältnisse der Menschen zu verbessern. Ihre Leidenschaft und ihr Unternehmungsgeist führten sie 1946 nach Brasilien, wo sie sich gemeinsam mit ihrem Mann niederliess. Hier gelang ihr die Entwicklung einer spielerischen, sanften Interpretation der Moderne, die ihre Bauten auszeichnen.
Zu ihren bekanntesten Projekten zählen unter anderem das 1957 gebaute Museu de Arte de São Paulo, ein an zwei roten Betonpfeilern acht Meter über dem Boden schwebender eindrücklicher Bau aus Glas und Beton, sowie die Fábrica da Pompeia in São Paulo, ein ursprünglich zum Abriss bestimmtes Fabrikgebäude, dass Bo Bardi gekonnt in eine Freizeitstätte für Kultur und Sport umwandelte.
Inspirationsquelle für ihre lebendigen Kreationen war dabei stets die Interaktion der Menschen untereinander, mit dem Raum selbst, aber auch mit der Natur. Bestes Beispiel liefert etwa das für sie und ihren Mann entworfene Wohnhaus «Casa de Vidro». Erwartungsvoll antizipierte Bo Bardi hier die tropische Vegetation, die im Laufe der Jahre die gläserne, auf überschlanken Pfeilern ruhende Villa umwachsen würde.
Doch Lina Bo Bardi war nicht nur Architektin. Nebst ihren kraftvollen Bauten entwarf Bo Bardi auch Möbel, wohl eines ihrer bekanntesten ist der ikonische «Bowl Chair», der in der «Casa de Vidro» vorgefunden und heute von Arper produziert wird. Lina Bo Bardi hatte ihn 1951 entworfen, zu einer Zeit, als der Mensch nur eine Art des Sitzens kannte: aufrecht. Diesen Grundsatz durchbrach sie, indem sie eine halbrunde Sitzschale in ein Gestell mit vier Beinen legte. Die Halbkugel ist dabei frei beweglich und lädt dazu ein, nach Belieben darin zu sitzen.
«Wenn es eine Architektin gibt», so Hashim Sarkis, Kurator der diesjährigen Biennale, «die das Thema der Biennale Architettura 2021 "How do we live together" am treffendsten verkörpert, dann ist es Lina Bo Bardi. (...) Sie ist ein Beispiel für die Beharrlichkeit von Architekten in schwierigen Zeiten, seien es Kriege, politische Unruhen oder Immigration, und ihre Fähigkeit, immer kreativ, grosszügig und optimistisch zu bleiben.» Und optimistisch bleiben wir beim Anblick ihrer Entwürfe allemal.
Die diesjährige Architekturbiennale in Venedig findet vom 22. Mai bis 22. November 2021 statt. www.labiennale.org