Optimismus und Beständigkeit

«Goldener Löwe» für Lina Bo Bardi

Schwarz-Weiss Porträt der Architektin Lina Bo Barde, die ihre linke Hand zur Kamera streckt, auf der sie ein kleines Objekt präsentiert.

Lina Bo Bardi (1914 - 1992) wurde auf der diesjährigen Architekturbiennale Venedig posthum mit dem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.

Wie nur wenige hat Lina Bo Bardi die Architektur Brasiliens geprägt. Nun wurde die 1914 in Rom als Achillina Bo geborene Architektin und Designerin auf der diesjährigen Architekturbiennale 2021 in Venedig posthum mit dem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. In Architektur und Design sah Bo Bardi stets einen Weg, die Lebensverhältnisse der Menschen zu verbessern.  Ihre Leidenschaft und ihr Unternehmungsgeist führten sie 1946 nach Brasilien, wo sie sich gemeinsam mit ihrem Mann niederliess. Hier gelang ihr die Entwicklung einer spielerischen, sanften Interpretation der Moderne, die ihre Bauten auszeichnen.

Zu ihren bekanntesten Projekten zählen unter anderem das 1957 gebaute Museu de Arte de São Paulo, ein an zwei roten Betonpfeilern acht Meter über dem Boden schwebender eindrücklicher Bau aus Glas und Beton, sowie die Fábrica da Pompeia in São Paulo, ein ursprünglich zum Abriss bestimmtes Fabrikgebäude, dass Bo Bardi gekonnt in eine Freizeitstätte für Kultur und Sport umwandelte.

Das 1957 gebaute Museu de Arte de São Paulo: Eingerahmt von zwei roten Betonbügeln hängt das Museum über einem offenen Platz. 

Beton und Glas prägen die Ausstellungsräume des MASP. So auch die Stellwände, die Lina Bo Bardi aus einer Glasscheibe, die von einem Betonkubus gehalten wird, entworfen hatte. 

Ein Porträt der Architektin neben einem Selbstbildnis Van Goghs auf der Baustelle ihres Museu de Arte de São Paulo. 

Die ehemalige Fassfabrik der SESC Pompéia in São Paulo war eigentlich zum Abriss bestimmt, doch Lina Bo Bardi gelang 1977 bis 1986 eine gekonnte Umnutzung in eine Freizeitstätte. 

Architektur hatte für Lina Bo Bardi vor allem eine Bedeutung: ein Treffpunkt, wo Menschen unterschiedlichster Schichten zusammenkommen können - hier etwa in der Bibliothek der SESC Pompéia. 

Inspirationsquelle für ihre lebendigen Kreationen war dabei stets die Interaktion der Menschen untereinander, mit dem Raum selbst, aber auch mit der Natur. Bestes Beispiel liefert etwa das für sie und ihren Mann entworfene Wohnhaus «Casa de Vidro». Erwartungsvoll antizipierte Bo Bardi hier die tropische Vegetation, die im Laufe der Jahre die gläserne, auf überschlanken Pfeilern ruhende Villa umwachsen würde.

Doch Lina Bo Bardi war nicht nur Architektin. Nebst ihren kraftvollen Bauten entwarf Bo Bardi auch Möbel, wohl eines ihrer bekanntesten ist der ikonische «Bowl Chair», der in der «Casa de Vidro» vorgefunden und heute von Arper produziert wird. Lina Bo Bardi hatte ihn 1951 entworfen, zu einer Zeit, als der Mensch nur eine Art des Sitzens kannte: aufrecht. Diesen Grundsatz durchbrach sie, indem sie eine halbrunde Sitzschale in ein Gestell mit vier Beinen legte. Die Halbkugel ist dabei frei beweglich und lädt dazu ein, nach Belieben darin zu sitzen.

Bo Bardi sah die Natur als Teil ihrer Architektur und hat das «Glashaus» so antizipiert,  dass es im Verlauf der Jahre zunehmend von den umgebenden Pflanzen und Bäumen eingenommen und mitgestaltet würde. 

Zur Rückseite des Wohnhauses befindet sich das 140 Quadratmeter grosse, komplett verglaste Wohnzimmer, das den Blick in die umgebende wilde Natur freigibt.

1951 entwarf Bo Bardi ihren ikonischen «Bowl Chair», der 1953 erstmals internationale Aufmerksamkeit erhielt, als das amerikanische Magazin «Interiors» den Artikel «Bowls, Baskets and Bags» veröffentlichte und darin Bo Bardis Design mit den Stühlen von Eero Saarinen, Irene Schawinsky und Roberto Mango verglich.

Für das «Gläserne Haus» entwarf Lina Bo Bardi auch ihre eigenen Möbel, darunter den «Bowl Chair», der heute von Arper produziert wird.

«Wenn es eine Architektin gibt», so Hashim Sarkis, Kurator der diesjährigen Biennale, «die das Thema der Biennale Architettura 2021 "How do we live together" am treffendsten verkörpert, dann ist es Lina Bo Bardi. (...) Sie ist ein Beispiel für die Beharrlichkeit von Architekten in schwierigen Zeiten, seien es Kriege, politische Unruhen oder Immigration, und ihre Fähigkeit, immer kreativ, grosszügig und optimistisch zu bleiben.» Und optimistisch bleiben wir beim Anblick ihrer Entwürfe allemal.

 

Die diesjährige Architekturbiennale in Venedig findet vom 22. Mai bis 22. November 2021 statt. www.labiennale.org