Das Herz von modebewussten Personen in der Schweiz schlug ein wenig höher, als das Luxus-Warenhaus Globus einen Pop-Up-Store mit dem Taschen- und Accessoire-Label Boyy ankündete. Jesse Dorsey & Wannasiri Kongmann, das kreative Duo hinter der Luxusmarke, brachten damit einen spannenden Cocktail aus Extravaganz und Eleganz nach Zürich. Die Taschen zeigen sich in einer raffinierter Symbiose aus klarer Formensprache und unterschwelliger Verspieltheit. Kein Wunder sind sie weltweit ein beliebtes Accessoire – gerade weil sie nicht nur am Handgelenk ein Hingucker sind. Am Salone del Mobile überraschte Boyy mit einer Installation, die mit der Wahrnehmung der Besucher*innen spielte und eine neue Perspektive auf den kreativen Prozess zeigte. Wir haben mit dem Duo über ihre Liebe zu Mailand, Vorurteile und das Potenzial von Mode und Design gesprochen.
Boyy feiert sein Debut in der Schweiz – welche Verbindung haben Sie zur Schweiz?
Wannasiri Kongmann & Jesse Dorsey: Seit wir 2018 nach Italien gezogen sind, haben wir begonnen, Ausflüge in die Schweiz zu machen – in letzter Zeit immer häufiger. Zürich finden wir besonders reizvoll und wir sind begeistert, wie unsere Marke dort ankommt. Es gibt eine gewisse Verbindung zwischen dem, was wir mit Boyy machen - unseren eigenen Weg zu gehen und ausserhalb der «Normen» der Branche zu agieren - und der Idee der Schweiz.
Was braucht es heute, um sich als Luxusmarke von anderen abzuheben?
WK & JD: Gute Frage. Das ist eines der grossen Themen, mit denen wir uns seit über einem Jahr beschäftigen, wir diskutieren und analysieren. Unsere Schlussfolgerung ist, dass eine Marke ihre eigene authentische, angeborene DNA braucht, und wenn man das Glück hat, dass diese tatsächlich existiert, muss sie in der visuellen Identität 360 Grad in Sprache und Design kommuniziert werden.
Welche Faktoren formen die Identität oder Seele eines Produktes?
WK & JD: Bei uns läuft alles intuitiv und instinktiv ab. Wir überstürzen nichts, unser Bauchgefühl muss stimmen. Generell braucht es grosse Erfahrung, um eine neue 'Seele' zu formen.
Für den Pop-Up im Globus Zürich haben Sie mit dem Architekten Andrea Tognon zusammengearbeitet, wo sind die Schnittstellen zwischen Mode-Design und Architektur?
WK & JD: Die Architektur ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Entwicklung und unserer Vision. Wir haben uns schon immer für Ladenflächen begeistert, können uns unsere Marke ohne sie nicht vorstellen und haben seit 2010 immer wieder Läden eröffnet. Architektur hilft dabei, einen Rahmen und ein Gefühl für eine Marke zu formen und übernimmt die Rolle eines Creative Directors.
Ihre Taschen dienen nicht nur als Modeaccessoires, sondern auch als Designobjekt in der Wohnung – müssen wir Mode und Design verbindender und neu denken?
WK & JD: Ja, wenn wir entwerfen, denken wir in der Regel zuerst an das Objekt. Wenn wir mit dem Entwurf als eigenständiges Objekt nicht zufrieden sind, verfolgen wir das Projekt nicht weiter.
Die «Cruise 22»-Kollektion versprüht Euphorie und Optimismus – wo liegt das Potential von Mode und Design in diesen Zeiten, was kann es bewirken?
WK & JD: Irgendwie sind in diesen ungewöhnlichen Zeiten alle Schranken gefallen und die Normalität wurde verzerrt. Mode und Design können und werden die Normalität noch mehr herausfordern und wir glauben, jetzt noch mit einem viel grösseren Tempo und in einem grösseren Spielfeld.
Mein absolutes Lieblingsprodukt ist die «WONTON 20 PEBBLE FLAMINGO» Tasche – was sagt das über mich aus?
JD: Sie sind geerdet - «WONTON 20» ist ein klassisches, zeitloses Design - aber gleichzeitig sagt Flamingo, dass Sie gerne Unfug treiben!
WK: Ich sehe die «TAKEAWAY»-Kollektion und insbesondere diese Tasche als Symbol für jemanden, der fluid und kühn ist.
Was ist Ihre Vision mit Boyy?
WK & JD: Boyy ist bis heute ein unabhängiges Unternehmen, was unserer Meinung nach in der heutigen Welt nicht allzu häufig ist. Wir haben unseren eigenen Weg eingeschlagen und hoffen, dass wir unsere Entwicklung auf diese Weise fortsetzen und unsere Reichweite in jeder Hinsicht erweitern können.
Woher kommt Ihre Leidenschaft für Italien?
WK & JD: 2006 begannen wir nach Italien zu reisen, um Materialien zu beschaffen. Es war sofort Liebe, wir verbrachten die meiste Zeit in der Toskana, aber im Laufe der Jahre entdeckten wir immer mehr, und unsere Liebe wurde immer grösser.
Was macht Mailand für Sie aus?
JD: Für mich ist Mailand immer noch ein verstecktes Juwel, die Stadt ist eklektisch und bietet eine unglaubliche Vielfalt an Architektur und Kultur und hat sich dabei den Charme der alten Welt bewahrt. Ihre geografische Lage innerhalb Italien und Europa macht sie zu einem ausgezeichneten Dreh- und Angelpunkt.
Sie haben das Label als Paar gegründet – mit welchen Vorurteilen sind sie konfrontiert?
WK & JD: Das Hauptvorurteil mit dem wir konfrontiert sind, ist ein internes, denn wir sind zwei Menschen, die letztlich zu einer Entscheidung kommen müssen - was ein sehr komplexer und anspruchsvoller Prozess ist. Extern werden wir manchmal Opfer von Geschlechterstereotypen wie Auffassungen «wer was macht». Wir entwerfen beide und wir sind beide gleichermassen im Business involviert.
Sie haben das Label 2006 gegründet, mit welchen Herausforderungen waren Sie auf dem Weg konfrontiert?
WK & JD: Abgesehen von der täglichen Herausforderung ein Unternehmen zu stemmen, besteht unsere grösste Herausforderung darin, unseren eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Wir fragen uns manchmal, ob wir uns nicht selbst zu sehr unter Druck setzen... aber letztendlich müssen wir auch unsere eigenen grössten Motivatoren sein.
Was ist die Aufgabe von Mode und Design in der heutigen Zeit?
WK & JD: Mode und Design haben schon immer dazu gedient, Identität und Werte zu definieren und zu reflektieren.
Was sind Eure Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Persönlichkeit und wie zeigt sich das in Eurer Arbeit?
WK: Ein prägnanter Unterschied ist, dass Jesse introvertiert und ich extrovertiert bin. Ich glaube, dass dieser Unterschied dazu beiträgt, dass wir das erreichen, was wir erreichen möchten. Ich denke an das, was er nicht tut, und umgekehrt.
Der Pop-Up im Globus in Zürich soll voraussichtlich bis Ende August 2022 bleiben.
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