Wolfsmilch, Lavendel, Iris und Strauchveronika könnten gleichermassen in einem Garten am Mittelmeer spriessen. Die Maisonne taucht sie in ein goldenes Licht. Für einen Augenblick fühlt man sich tausend Kilometer gegen Süden gebeamt. Ganz ähnlich würde es gerade rund um die Hügel der Toskana duften, blühen und summen. Doch der Eindruck täuscht. Jörg Lonsdorf hat keinen mediterranen Vorbildern nachgeeifert, als er seinen Garten hier im Bonner Stadtteil Muffendorf konzipierte. Vielmehr hat er als guter und gewissenhafter Gestalter die Gegebenheiten vor Ort zum Ausgangspunkt für die eindrucksvollen Bepflanzungen gemacht. Auf seinem Grundstück hatte er einen trockenen Südhang zu bändigen. Er musste also Pflanzen finden, die der ursprünglich mit Ackerdisteln durchsetzten, wuchernden Grassteppe etwas entgegenzusetzen hatten. Natürlich wurden dafür zunächst die tief greifenden Wurzeln des Wildwuchses entfernt. Doch dann galt es, Gewächse zu platzieren, die der Sommerhitze und Dürre trotzen.
«Ich mache der Natur Angebote, und sie macht dann, was sie will», bringt der studierte Landschaftsarchitekt seinen Gestaltungsansatz flapsig auf den Punkt. Dahinter verbirgt sich jedoch umfangreiches Erfahrungswissen. Die Vorgehensweise orientiert sich am Puls der Natur. Denn das, was Lonsdorf der Natur serviert, muss ihr gewissermassen auch schmecken. Die Auswahl der Pflanzen muss also auf die klimatischen Bedingungen, die Bodenverhältnisse, das natürliche Wasserangebot und im besten Fall auch noch auf das örtliche Mikroklima abgestimmt sein. Zudem fliessen Gedanken ein, wie die Gewächse optimal zu verteilen und zu gruppieren sind, damit sie ein ästhetisch ansprechendes Bild ergeben. Aus dieser Gesamtheit an Überlegungen entsteht der jeweilige Bepflanzungsplan, der schliesslich umgesetzt wird. Damit ist die Arbeit des Planers meist abgeschlossen.
«Die traditionellen britischen Staudenbeete sind mit Intensivstationen vergleichbar», sagt Lonsdorf. Dort erhalten Pflanzen eine Rundumpflege mit entsprechender Bewässerung, Düngung und wenn nötig auch einem Bodenaustausch. Das sei aber eben nicht seine Auffassung von Gartengestaltung. Ganz nebenbei liegt ihm auch die Zufriedenheit seiner Kund*innen am Herzen, die diesen Aufwand nicht leisten können. So lässt er es zu, dass die Natur zumindest mitentscheidet, wo eine Pflanze hingehört. «Und das entspricht nicht immer genau der Vorstellung, wo ich sie hinhaben wollte», so Lonsdorf. Doch er bleibt gelassen. «Ich kann ja immer eingreifen, wenn mir etwas nicht gefällt. Dann biete ich eben Alternativen an.»
Auch für diese Vorgehensweise gibt es in England ein grosses Vorbild, nämlich die vor vier Jahren verstorbene Beth Chetto. Von ihr hat sich Lonsdorf inspirieren lassen. Sie hatte sich in ihrem Garten in Elmstead Market rund hundert Kilometer nordöstlich von London auf Pflanzen spezialisiert, die gut mit Problemlagen zurechtkommen. Dafür prägte sie das Motto «right plant, right place». Ursprünglich war Chatto sogar von deutschen Pflanzenkundler*innen beeinflusst worden. Diese hatten ausgeklügelte Listen erstellt, unter welchen exakten Bedingungen Pflanzen an ihrem Naturstandort gedeihen. Diese Ideen übertrug die Britin auf die Gestaltung ihres Gartens und wurde damit in England berühmt.
«Die Dynamik der Natur, ihre Fülle und der saisonale Wandel lassen den Garten immer anders aussehen.»
Eine verwilderte, leicht ansteigende Obstwiese mit teils trockenen Arealen bildete den Ausgangspunkt des Gartens in Muffendorf. Das liegt fast 20 Jahre zurück. Ein Trampelpfad, der hangaufwärts zu einem Höhenweg führte, wird für Jörg Lonsdorf zum Rückgrat der Gestaltung. Ihn wandelte er in den heutige Gartenweg um und an ihm richtete er die Struktur aus. Vom Haus ausgehend entstanden drei unterschiedliche Bereiche, die ganz organisch miteinander verbunden sind. Den ersten prägen eine Zierkirsche (Prunus serrulata) sowie ein zur straffen Säule geformter Wacholder (Juniperus communis). Umgeben von mannshohen Buchskugeln ist ein kleines Rasenrondell samt doppelter Sitzbank eingefügt. Zusammen bilden sie eine Art natürliche Grenze zum nächsten, weithin offenen und wiesenhaften Teil des Gartens.
Im Schatten der Gehölze an der Grenze zum Nachbarn spriessen Fingerhüte, leuchtende Gelbdolden (Smyrnium perfoliatium) und Berg-Laserkraut (Laserpitium siler) mit weissen Blütenschirmen, in denen der Zierlauch pralle violette Tupfer hinterlässt. Auf der anderen, stärker von der Sonne beschienen Seite des Wegs ist die mediterrane Note lebhaft ausgeprägt. Neben Lavendel und unterschiedlichen Strauchveroniken (Hebe) betonen Bronzefenchel und Steppenkerzen nochmals den Eindruck von Leichtigkeit und südlichem Flair. Den Abschluss des Gartens bildet eine eher ruhige, stärker beschattete Partie, die von abwechslungsreichen Grüntönen und Texturen belebt wird. Den Weg begrenzen die weichen Halme des Japanischen Berggrases (Hekonechloa macra), eine Nische mit Liege bietet einen Raum zum Entspannen.
Die gesamte Anlage wird betont durch vertikale und horizontale Strukturen, also durch Sträucher, die straff aufrecht wachsen oder sich wolkig in die Breite ausdehnen. Sie geben dem Garten eine räumliche Anmutung, sodass man sich darin geborgen fühlt. Durch die unterschiedlichen Bereiche und seine Vielschichtigkeit erscheint dieser viel grösser, als er mit seinen rund 750 Quadratmetern in Wirklichkeit ist. Gezielte Brüche sorgen für Lebendigkeit und Spannung. So ragen die gelben Halme des Bambus (Phyllostachys aureosulcata) aus einer exakt geformten Buchskugel heraus. An keiner Stelle ist ein spezielles Pflanzschema mehr zu erkennen. Die Natur hat mitgewirkt, und die Absicht des Gestalters, eine kultivierte Wildnis zu schaffen, tatkräftig zum Erfolg geführt.
«Ich mache der Natur Angebote, und sie macht dann daraus, was sie will.»
Angesichts dieser Erfahrungen ist Jörg Lonsdorf im Laufe seines Gärtnerlebens immer demütiger geworden. Er empfindet sich zunehmend bloss noch als Teil eines grösseren Masterplans. Einen ihm früher eigenen Perfektionismus hat er längst hinter sich gelassen. Ihn fasziniert die Dynamik, die sich selbsttätig entfaltet und den Garten jedes Jahr etwas anders aussehen lässt. Dabei behält er die Ästhetik im Blick, greift ein, wo nötig, mehr auswählend als aktiv gestaltend.