Der Blumen-Beau

Outdoorspace-Designer Derek Castiglioni

Der Architekt Derek Castiglioni, 35, portraitiert auf einer weissen Mauer sitzend, umgeben von vielen Pflanzentöpfen.

Von Haus aus Architekt wurde Derek Castiglioni, 35, in der Firma seiner Eltern in die Sektion Outdoor-Gestaltung verpflanzt. Ein Glücksfall.

Sieht man die romantischen Gartenskizzen, die verwunschenen Hänge-Installationen und eleganten Outdoormöbel von Derek Castiglioni, meint man, er habe schon als Kind botanische Bücher verschlungen. «Es ist so lustig, aber ich war alles andere als ein Blumenfreak», grinst der Architekt und Designer beim Interview in der Mailänder LúBar. Wie er den Zugang zu der grünen Welt gefunden und warum er angefangen hat, Gartenmöbel zu entwerfen, verrät der 35-Jährige beim Gespräch.

 

Drei Modul-Beistelltische in Pastelltönen aus der «Aquilioni»-Kollektion von Derek Castiglioni neben einer Gartenliege.

Mittlerweile designt der Italiener auch traumschöne Gartenmöbel, wie etwa die Modul-Beistelltische aus der «Aquilioni» Collection in gedecktem Pastell.

Rot, gelb und blauer Tisch aus der «Aquilioni»-Kollektion, der schon während des Salome del Mobile 2018 auf dem Balkon von Dimore Studio für Furore.

Die Tische aus der «Aquilioni» Kollektion sorgten schon während des Salone del Mobile 2018 auf dem Balkon von Dimore Studio für Furore.

Zwei blaue Gartenliegen aus der «Roma»-Kollektion, umgeben von einem urbanen Garten.

Die Eleganz des Midcentury-Hollywoods kommt in der «Roma»-Kollektion zum Ausdruck, die Derek für einen Privatkunden entwarf, der ihn ursprünglich als Outdoorspace-Designer ­engagiert hatte und den Auftrag erweiterte.

Haben Ihre Freunde eigentlich Bedenken, Sie zum Gartenfest einzuladen?

Derek Castiglioni: Nein, nein, ich würde mich auch nie ungefragt äussern (lacht). Aber eines ist wirklich merkwürdig: Wann immer ich jemanden besuche, werde ich erst mal zu den schlappen Küchenkräutern geführt. Ganz ehrlich: Ja, ich liebe Blumen, aber was weiss ich denn? Wenn Sie den Basilikum in meiner Wohnung sehen könnten, würden Sie mich nicht nach Tipps fragen. Ich bin ja für Gartengestaltung zuständig.

Wie kamen Sie dazu, sich als Outdoor-Space-­Designer zu versuchen?

DC: Nach meinem Architekturstudium in Mailand bin ich nach Perth gegangen, um in Australien noch ein paar Kurse rund um urbane Architektur zu belegen. Nachdem ich dort eine Art Master gemacht habe, musste ich zurück und wollte ins Familiengeschäft einsteigen. Meine Eltern besitzen eine Firma für Gartengestaltung und Bepflanzungen, Vivai Mandelli. Für mich war vollkommen klar, dass ich mich um Gebäude-Gestaltung kümmern würde, meine Familie aber verpflanzte mich in die grüne Sektion zu den Gärten. Anfangs wusste ich nichts damit anzufangen und habe mich schon leicht verzweifelt gefragt, wie das werden soll. Mich abzuwenden wäre aber eine Schande gewesen.

Eine Frage der Familienehre? Wie italienisch!

DC: Absolut. In Italien stehen wir uns in der Familie sehr nah. Dem Geschäft meiner Eltern zum Wachstum zu verhelfen, war mir wichtig. Also habe ich versucht, mir das Business anzueignen und meinen eigenen Weg mit den Pflanzen zu finden.

 

«Mein Stil? Romantisch! Die Menschen sind so distanziert, und ständig haben wir das Handy gezückt. Ich sehne mich nach Wärme.»

 

Was würden Sie als Turning Point bezeichnen?

DC: Als ich verstand, dass ich beim Entwerfen eines Gartens bzw eines Outdoor-Raumes meine Kreativität ausleben kann und Geschichten erzählen darf. Bislang hatten wir immer beim Designen von Dachterrassen nach demselben Schema gearbeitet, ein und denselben Boden verwendet und handelsübliche Pflanzen eingesetzt. Nicht direkt langweilig, aber sonderlich viel Kreativität erforderte das nicht. Wenn man aber das Projekt viel grösser begreift, zunächst die Gesichter und das Leben des Kunden studiert, um herauszubekommen, was zu ihm passt, dann unterscheidet sich die Arbeit gar nicht so sehr von der eines Innenarchitekten. Hat der Kunde Kinder? Schmeisst er viele Partys? Man versucht, die Bedürfnisse zu erforschen, und legt dann passgenau los. Inzwischen kann ich mir mein Leben ohne Pflanzen nicht mehr vorstellen. Schon gut, dass alles so gekommen ist.

Wie würden Sie Ihren Stil bezeichnen?

DC: Romantisch. Wir leben ja in einer Zeit des technischen Fortschritts, wir Menschen sind so distanziert, immer in Eile, das Handy stets gezückt – ich sehne mich nach Wärme und versuche, Komfortzonen entstehen zu lassen.

 

Die frei schwebende Blumen-Installation kreierte Derek Castiglioni 2016 für die britische Modesdesignerin Stella McCartney.

Zu sehen war die Installation im Hinterhof des Mailänder Stores von Stella McCartney.

Geradezu explosiv kommt die vertikale Begrünung der Torre Giax daher, ein Projekt, das Castiglioni mit den Architektinnen Stefania Beltrame und Sandra Gelmetti umsetzte. 

Sie arbeiten u.a. für Modelabels wie Stella McCartney und Alexander McQueen. Die Designgötter von Dimore Studio integrierten zudem auf dem Salone del Mobile 2018 Ihre Gartenkollektion. Wie kam es zu der beeindruckenden Kundenliste?

DC: Ich hatte das Glück, dass unsere Firma bereits mit wichtigen Architekten und prominenten Designern zusammenarbeitete. Das war für mich natürlich toll. Auf dem Weg zu meinem eigenen Stil konnte ich mich dabei von meinen kreativen Kunden inspirieren lassen und ich glaube, dass ihnen die Art, wie ich denke, entgegenkommt.

Wie denken Sie denn?

DC: Nun, ich lasse meinen Geist auf einen Trip gehen. Letzten Sommer war ich zum Beispiel total besessen vom Dschungelbuch. Ich wollte unbedingt einen Dschungelbuch-Garten entwerfen – unabhängig von der echten Vegetation in einem solchen Regenwald. In meinem Kopf sammeln sich Mailänder Lieblingspflanzen, tropische Exemplare und das Grün der Gärten zur Kolonialzeit. Das ist natürlich kein rationaler Zugang, aber das sind Bilder, die zu mir kommen.

Wenn ich das anderen Menschen erkläre, verstehen das die wenigsten. Aber ich muss auch nicht verstanden werden, Hauptsache, ich darf machen und mich entfalten. So wie bei der «Roma» Collection: Ein Kunde hatte mich beauftragt, seine Terrasse zu gestalten – inklusive der Möbel. Für so eine Chance bist du dann natürlich wirklich dankbar. Und wer weiss: Heute designe ich Gärten und Gartenmöbel, morgen vielleicht mein erstes Boot. Und diese Aussichten sind doch – wow – einfach der Himmel!             

Der Artikel erschien in der Ausgabe 01/2019 von Garten.