Wir treffen David Geckeler und Frank Michels in ihrem Studio in Berlin Neukölln. Ein grosszügiger, heller Ladenraum, der zum modernen Studio umfunktioniert wurde. Eine schmale Holztreppe führt in einen herrlich unprätentiösen, fensterlosen Kellerraum, der den beiden Designern als Werkstatt dient. Hier sind noch erste Prototypen längst etablierter Möbel zu finden, wie etwa der «Panorama»-Chair für das japanische Unternehmen Karimoku New Standard. Mit der kapriziösen Stuhlfamilie gehörten Geckeler Michels zu den Highlights der vergangenen Möbelmesse in Milano. Der stapelbare Stuhl aus japanischem Eichenholz orientiert sich optisch an einem klassischen Holzstuhl, spielt jedoch mit ausgeklügelten Details, wie etwa einer verkürzten Armlehne oder Kufen. Die Stuhlfamilie wird mit ihrer klaren Formsprache nicht nur ihren funktionalen Anforderungen gerecht, sondern zeigt sich dank einer grosszügigen Sitzfläche und einer sanft gebogenen Rückenlehne als bequemer Allrounder. Ein Blick durchs Portfolio zeigt eine erfrischend ungezwungene Ästhetik auf allen Ebenen. Die Produktentwürfe bedienen sich oft an grafischen Formen, wie es etwa der Sidetable «Bias» zeigt. Momentan arbeiten Geckeler Michels erstmals an einer Softgood-Kollektion, bestehend aus verschiedenen Taschen.
Wir haben uns zuletzt in Mailand bei Karimoku New Standard gesehen, was ist seither passiert?
Geckeler Michels: Nachdem der «Panorama»-Chair lanciert wurde, hat uns Karimoku New Standard für weitere Möbel im Officebereich gebrieft an denen wir zurzeit arbeiten. Zudem haben wir dem italienischen Möbelhersteller Crassevig vorgeschlagen, einen Low-Chair, basierend auf dem «Bias» Sidetable, zu entwerfen. Ausserdem haben wir die Chance für den SchweizerTraditionshersteller deSede ein Ledersofa zu entwerfen
Wann werden die neuen Produkte zu sehen sein?
GM: Das Sofa für deSede wird voraussichtlich schon zur IMM Köln 2019 debütieren! Die Kollektion für Karimoku New Standard wird voraussichtlich an der Möbelmesse Mailand 2019 gezeigt. Karimoku hat ein Team aus Holzbauingenieuren direkt Inhouse, so geht die Entwicklung und Produktion relativ flott im Vergleich zu anderen Unternehmen. Bei Crassevig ist noch nicht sicher, ob wir den Sessel in Mailand auch wirklich zeigen können.
Für den «Panorama»-Chair gab es ein klares Briefing – was ist euch lieber, ein Briefing oder eine Carte blanche?
GM: Ja, damals gab es Vorgaben, welche Attribute der Stuhl vereinen soll, aber das ist an sich nichts Negatives. Ein Carte-blanche-Entwurf kann ganz langweilig sein, während ein Briefing hingegen überraschend aufregend sein kann. Da sollte man allgemein keine Wertung machen.
«Ein Carte-blanche-Entwurf kann ganz langweilig und ein Briefing überraschend aufregend sein.»
Wann haben sich eure Wege das erste Mal gekreuzt, und wann habt ihr entschieden, gemeinsam ein Designstudio zu gründen?
GM: Wir haben uns während des Studiums kennengelernt und haben später zusammen in einer WG gewohnt. Da hat man sich bereits bei Projekten über die Schulter geschaut und so war auch immer schon ein Interesse an der Arbeit des anderen vorhanden. Nachdem wir dann beide das Studium abgeschlossen hatten, kam die Idee auf, ein gemeinsames Studio zu gründen, weil man die Sprache des anderen bereits kannte und die Qualität einschätzen konnte. Trotzdem war es 2013 ein Sprung ins kalte Wasser, weil wir bis dato keine grösseren Projekte zusammen gestemmt haben.
Hat man euch während des Studiums bestärkt, sich selbstständig zu machen, oder wart ihr einfach mutig?
GM: Ich glaube, wir waren wahrscheinlich schon ein bisschen mutig. Auch wenn man uns das nie so direkt gesagt hat, weiss man, dass es eigentlich nur ganz wenige als Autorendesigner schaffen. Aber es gab leider auch nie einen Kurs oder einen Professor, der uns die Landschaft aller verfügbaren Jobs in der Industrie dargelegt hätte. Niemand sagte: ihr könnt jetzt entweder Produktentwickler bei einem Hersteller, Designgalerist oder Industriedesigner werden. Schlussendlich sind wir einfach unserer Intuition gefolgt.
Was war euer erstes gemeinsames Projekt?
GM: Der «Acme»-Chair, er gab zugleich die Richtlinie, wie wir uns formal artikulieren wollten. Aber kommerzialisiert wurde vorher 2014 noch unsere Nespresso-TassenKollektion.
Welche Vorteile bringt ein Team in der Designwelt?
GM: Man hat immer einen Partner. Das kann manchmal zwar Umwege bedeuten, weil man Sachen von mehreren Seiten durchleuchten muss, aber meistens ist es auch bereichernd, weil der andere ein frisches Auge auf den Entwurf hat. Zudem kann man sich die Aufgabenbereiche gezielt aufteilen.
Ihr macht vor allem Möbel, aber auch Accessoires. Was entspricht euch mehr?
GM: Es ist immer einfacher, sich auf einen Produkttyp zu fokussieren, wie jetzt auf Stühle, aber es ist uns nach wie vor wichtig, ein breites Portfolio zu halten. Nur so bekommen wir immer wieder neue Inputs und
Inspiration. Zudem ist es für uns auch erfrischend, im Arbeitsalltag ein breites Portfolio zu halten.
Was ist die grösste Herausforderung für euch?
GM: Dieses Abwägen, wie es im nächsten Jahr aussehen könnte, und ob man nun mehr Energie in die aktive Akquise und das Networking steckt oder sich mehr der Arbeit und Konzeption im Studio widmet. Diese Balance zu finden ist schwierig, aber das liegt auch daran, dass bei uns Firmen nicht ununterbrochen anklopfen. Glücklicherweise finden wir auch dadurch immer wieder ein Zeitfenster um an eigeninitiierten Studien zu arbeiten.
Gibt es ein Produkt, das ihr gerne neu entwerfen würdet?
GM: Ja, etwas ganz Triviales, wie etwa die klassische Kleenexbox. Die grafische Bedruckung der Verpackung sowie der Überkartons finden wir immer ganz schlimm. Spannend fänden wir auch noch im Bereich Badkeramik- und Armaturen zu arbeiten.