An der Via Bagutta in Mailand, eröffnete die Accessoires-Marke BOYY ihren neuen Flagshipstore. In Zusammenarbeit mit dem dänischen Künstler FOS, kreierten sie einen Raum der sich komplett von den gängigen Vorstellungen einer Boutique verabschiedet und ein ganz anderes, innovatives Konzept verfolgt. Alle Ideen und Phasen, die während des dreijährigen Prozesses entstanden sind, erläutern uns Jesse Dorsey und Wannasiri Kongman in einem Kurzinterview.
Was war das Konzept des neuen Flagshipstore in Mailand?
Das Gesamtkonzept bestand darin, einen Raum zu schaffen, der sich über einen Zeitraum von 18 Monaten weiterentwickelt. Er soll den Fortschritt von Ideen und Design transparent machen. Wir betrachten ihn als ein lebenden Organismus, der sich mit Geduld und Zeit entwickelt.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit FOS und was die Verbindung zwischen FOS und BOYY?
Seit der Eröffnung unseren ersten Filiale im Jahr 2010 haben wir alle unsere Verkaufsräume eigenständig gestaltet. Neun Boutiquen und zwei Cafés später war es an der Zeit, mit jemandem zusammenzuarbeiten, den wir bewundern und respektieren, jemanden, der uns eine neue und andere Perspektive vorstellt. Wir waren grosse Bewunderer der Arbeiten von FOS, er wurde wirklich zu einem unseren mythischen Designhelden. Wir hatten keinerlei Beziehung oder Kontakt zu FOS, haben es jedoch trotzdem gewagt ihn zu kontaktieren, um zu sehen, ob eine Zusammenarbeit möglich wäre. Es folgte eine Reise auf Dänemark zu seinem Studio und wir trafen uns persönlich, um die jeweiligen Möglichkeiten zu besprechen.
Wie hat sich der Laden über die verschiedenen Phasen hinweg entwickelt?
Als wir anfingen uns vorzustellen, was dieser Raum sein könnte befanden wir uns noch in einer «Covid-Welt». Da niemand die Zukunft vorhersagen konnte, dachten wir, dass eine «Installation» das Beste wäre. Nicht nur weil sich die Welt in einer Ungewissheit befand, sondern auch, weil der Prozess zwischen der Marke/dem Kreativen und den Künstlern kein abgeschlossene Aktivität sein kann. Wir brauchten Zeit, um uns gegenseitig zu belehren, die Materialitäten zu erlernen, Proben zu machen usw. ... Das gehörte alles zu Phase 1.
In Phase 2 ging es darum, sich gegenseitig besser zu verstehen, und mit den intensiven Übungen, die wir in Phase 1 durchführten, verliehen wir dann dem Raum Beständigkeit und Wurzeln. Wir spielten auch mit einem Negativfilm-Konzept, in dem wir die Farben der Inneneinrichtung vertauschten: So wurde der vorhandene blaue Teppichboden rosa, die handgefärbte rosa Stoffverkleidung blau und die schwarzen Metallständer und Beschläge weiss.
Stufe 3 war der letzte Schritt, die vollständige Permanenz. Alle Philosophien und Ideen, die wir entwickelt und festgehalten hatten, wurden zu einem fertigen Geschäft zusammengeführt, welches nicht nur eine Botschaft vermittelt, sondern hoffentlich auch zum Staunen hervorruft.
Was ist euch bei der Präsentation der Produkte wichtig?
Mit seinem künstlerischen Ansatz hat FOS das konventionelle Modell des Luxuseinzelhandels herausgefordert, indem er die etablierte Idee eines Ladenkonzepts auf den Kopf stellt. Er hat verschiedene Design-Ebenen miteinander verwoben, von welchen eine auf der anderen aufbaut, um einen Raum zu schaffen, der den Fluss der Zeit widerspiegelt. Alte und neue Materialien arbeiten harmonisch zusammen, um Produkte von BOYY zu präsentieren und die Grenzen zwischen Interieur und Produkt zu verwischen.
Was sind einige eurer Lieblingsdetails im neuen Store?
Es gibt eine Menge liebenswerter Details, es fällt uns deshalb schwer, uns festzulegen. Allerdings gibt es ein Mikro-Thema: Upcycling. Der Kleiderständer wurde aus zusammengelötetem Metallschrott hergestellt, wodurch eine einzigartige Form entsteht, die allein auch als Skulptur betrachtet werden könnte. Im hinteren Teil des Ladens befindet sich ein Mosaikfenster, dass aus verlorenen und zerbrochenen Glasstücken besteht, die vom Murano-Glasfriedhof in Venedig gerettet wurden und tagsüber in den schönsten Farben leuchten. Inmitten dieser Stücke und der Gegenüberstellung von Neuem und Altem steht eine wunderbare Bank aus Massivholz, die in einem Smaragdgrün lackiert ist. Ihre Form ist eine Befruchtung verschiedener Ideen von Verwerfungen und Stufenneigungen, die im Raum zu sehen sind.
Habt Ihr vor, weitere Standorte zu eröffnen?
Ja, wir werden bis Oktober 2023 zwei neue Räume in Bangkok eröffnen. Wir haben noch einige andere Städte im Visier, die wir für 2024 anpeilen.
Welche Aspekte sind bei der Gestaltung von Produkten für euch am relevantesten?
Form, Gegenstand und Design an erster Stelle. Wir bestehen darauf, dass jeder Entwurf für sich allein als Objekt mit grosser Präsenz stehen muss, bevor wir überhaupt darüber nachdenken können, ihn weiterzuentwickeln.
Was ist eure Meinung zum ständigen Wandel der Trends?
Es ist sehr herausfordernd und ermüdend. Seit 2014 haben wir einen philosophischen Wandel vollzogen, bei dem wir nur noch nach zeitlosem Design streben, welches sich über Jahre hinweg behaupten kann.
Wie wichtig ist euch soziale Präsenz?
Das ist eine ständige Entwicklung, aber die Präsenz ist letztendlich sehr wichtig. Es ist die effizienteste Art, mit der Welt zu kommunizieren.
Ist Mode Kunst?
Wenn die Gestaltungskraft strikt von einer kreativen Quelle ausgeht würden wir sagen, ja. Die Auffassung von «Mode als Kunst» wird jedoch unscharf, wenn sie aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt.