Corinna Müller ist der kreative Kopf hinter Rosa Rauscher und fertigt in Erfurt handgemachte Wandteppiche.
«Der Mensch braucht Frieden.» Dass Corina Müller eines Tages ausgerechnet mit dieser Parole auf einem Wandteppich in der Artothek der Kunstsammlung des Deutschen Bundestags vertreten sein würde, hätte sie so vor drei Jahren auch nicht gedacht. Damals, während der Pandemie erging es ihr wie so vielen. Inmitten der weltweiten Krise reiften in Müller Selbstverwirklichungsideen. Die studierte Landschaftsarchitektin war seit einigen Jahren zu Hause in Erfurt in einem Laden für Nachhaltigkeit tätig, spürte aber schon länger eine innere Unruhe. Beim Scrollen auf Instagram stiess sie erstmals auf Tufting. Sofort fasziniert, wollte sie die Technik unbedingt erlernen und eigene Wandteppiche fertigen. Vor ihr lagen unzählige Recherchestunden: Welche Wolle soll es sein? Was ist an Equipment nötig? Und wie geht das neue Business am nachhaltigsten? «Zu Beginn gibt es so viele Hürden auf die man stösst, wofür es aber Lösungen braucht. Ich habe dann angefangen Youtube-Tutorials wie zum Beispiel von Tufting Love aus der Schweiz zu schauen und Leute auf den verschiedenen Social Media-Kanälen zu folgen und um Rat zu fragen», erklärt Müller. Mit Erfolg! Binnen kürzester Zeit brachte sie sich nahezu autodidaktisch das Tuften bei, lernte wie man einen grossen Holzrahmen baut, diesen mit dem Backing-Stoff straff bespannt und dann den Faden gleichmässig einschiesst.
Corinna Müller brachte sich das Tufting innert kürzester Zeit selber bei.
Dabei griff sie auf online Ressourcen wie Youtube-Tutorials zurück.
Aller Anfang ist mühsam
«Zunächst verwendete ich Acryl, aber das Material überzeugte mich nicht wirklich», erklärt die 41-Jährige die Anfänge. «Ich bin dann auf neuseeländische Schurwolle umgestiegen, die sehr viel robuster ist.» Mindestens ebenso nachhaltig sollte auch der Einkauf sein. Zwar fand sie einen guten Abnehmer, bei dem sie bis zu 200 Kilogramm Wolle ordern konnte, allerdings war dieser aus China. Sie entschied sich dennoch für ihn. Immerhin ist die Zusammenarbeit verlässlich und der Versand erfolgt tatsächlich per Zug.
Schliesslich war sie gewappnet für ihr neues Business, was noch fehlte war ein Name. Die Wahl fiel auf Rosa, so wie eigentlich ihre Tochter heissen sollte, doch in Verbindung mit Rauscher, dem Nachnamen ihres Partners, mehr nach einem Künstlernamen klang. Und so bezog Rosa Rauscher ein Atelier im Erfurter Norden auf einem ehemaligen Klinikgelände, wo auch andere KünstlerInnen ihre Studios – wie etwa der deutsche Musiker Clueso – und Werkstätten haben.
Grösser ist besser: die Dimensionen der Wandteppiche wuchsen mit zunehmender Erfahrung der Künstlerin.
Im richtigen Format
Dass Corina Müller heute farbenfrohe Wandteppiche tuftet, ist nur wenig verwunderlich. Schon als kleines Mädchen begeisterte sie sich für Buntes und Wolle. Mit zehn Jahren knüpfte sie ihren ersten Mini-Teppich. Heute, ein paar Jahrzehnte später, hat sie den Kindheitstraum zum Business professionalisiert. Sie beginnt zunächst mit Wandteppichen im Mass 30 x 40 Zentimeter. Schnell merkt sie allerdings, dass grösser besser ist. Mittlerweile misst ihr gängigstes Format 60 x 80 Zentimeter, das gerade noch als Sperrgut versendbar ist. Die meisten Bestellungen generiert sie über Etsy und Instagram, weshalb primär Anfragen aus dem Ausland kämen – immerhin 60 Prozent, davon die Hälfte aus Europa. In Amerika hängen die meisten ihrer Wandteppiche. Wohl am weitesten weg waren bisher Aufträge aus Australien und Taiwan. Erst kürzlich hat sie Headboards im Mass 2 x 0,60 Meter für Betten eines Londoner Hotels gefertigt. Genau ihr Ding, schliesslich will Corina Müller langfristig noch grössere Exemplare tuften. Preislich liegen ihre Werke derzeit pro Quadratmeter bei etwa 1.000 Euro.
Es läuft ziemlich gut für die Mutter zweier Kinder. Neben vielen Auftragsarbeiten mache sie auch immer mehr Sonderanfertigungen. Mittlerweile ist die Nachfrage so gross, dass Aufträge auch mal länger dauern können. «Im Grunde geht es bei Kunst ja auch um Entschleunigung. Ich bin eben nicht Amazon und kann nicht binnen drei Tagen liefern.» Schliesslich widmet sie ihre Zeit auch noch einem anderen Projekt. Seit Herbst 2023 bietet Corinna Müller noch Workshops an, die ebenfalls von Anfang gut gefragt seien. Teilnehmer:innen würden dafür aus ganz Deutschland anreisen. Da scheint ihr der zentrale Standort von Erfurt in die Karten zu spielen, wie sie vermutet.
Dieses Kunstwerk hängt inzwischen...
... in der Artothek der Kunstsammlung des Deutschen Bundestags.
Bekannte Befürworterin
Doch wie kam es jetzt zu dem Auftrag im Deutschen Bundestag? Eine Kunstkommission kaufe jedes Jahr neue Werke. Keine Geringere als Katrin Göring-Eckardt, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und ebenfalls Thüringerin, unterstützt gern kleine Künstler:innen. So auch Corina Müller, die prompt angeschrieben wurde und bis zu drei Kunstwerke einreichen durfte. «Ich habe leider nur eines geschafft, weil ich zwischenzeitlich an Corona erkrankt war.» Doch das eine sollte ihr Glückslos sein. Es wurde gekauft und ist heute Teil der Kunstsammlung, aus welcher sich Abgeordnete Kunst für ihre Büros leihen können. Für diesen besonderen Auftrag hat sie extra jeden Buchstaben einzeln geformt. Ein enormer Aufwand, der vorerst eine einmalige Sache bleiben soll. «Das war zu der Zeit als der Krieg in Israel begann, was mich so beschäftigte, dass mir die Message regelrecht ein inneres Bedürfnis war.» Künftig will sie bei ihren Werken aber lieber wieder bei Farbe und Formen bleiben.