An talentierten Designern fehlt es nicht in der Schweiz. Aber ob all den Trends in der Welt des Designs vergessen wir zuweilen, auch mal zurückzuschauen. Dass wir durch den Blick auf die Vergangenheit viel über die Jetztzeit erfahren können, zeigt ein Besuch beim 1941 in Luzern geborenen Textildesigner Erich Biehle. Er gehört zu den wenigen Schweizer Designern, die sich auch auf dem internationalen Parkett etablieren konnten. Im Textildesign ist Autorschaft allerdings kaum ein Thema. Einer der Gründe wohl, weshalb der Name des findigen Gestalters, der mit Grössen wie Yves Saint Laurent oder Hubert de Givenchy zusammenarbeitete, nur Insidern ein Begriff ist.
Die Anwendung der Wachstechnik auf Textildesign steht exemplarisch für Biehles offenen Geist, der bis heute seine Arbeit prägt.
Dabei haben nicht nur seine Auftraggeber klingende Namen, auch seine Ausbildung genoss Erich Biehle bei einer Berühmtheit: dem Schweizer Künstler Johannes Itten. Biehle wurde – kaum 18-jährig – in die Textilfachklasse von Itten aufgenommen. Itten sei für ihn zu einer wichtigen Figur geworden, erinnert er sich bei unserem Besuch in seinem Zürcher Atelier. Wenn er von seinem beruflichen Werdegang erzählt, kommt man aus dem Staunen kaum heraus. Denn verglichen mit den Karrieren der heutigen Designergeneration verlief alles im Turbotempo. Nach Abschluss der Ausbildung folgte eine Anstellung beim renommierten Zürcher Seidenhaus Abraham. Obwohl er dort mit der internationalen Modewelt in Kontakt kam, wurde es dem jungen Mann zu eng unter den Fittichen des Patrons Gustav Zumsteg. Er setzte sich in die USA ab und begann, für verschiedene amerikanische Textilunternehmen zu arbeiten. «Da musste ich teilweise die Dessins von Abraham kopieren, die ich selbst entworfen hatte», erzählt er – eine absurde Situation. Er lernte dort, unter Druck zu funktionieren und Nächte durchzuarbeiten. Auch künstlerisch entwickelte er sich in seiner Amerikazeit weiter. Mit der Wachstechnik, die ihm später grosse Erfolge bescheren sollte, kam er in New York über eine Künstlerin der warholschen Factory in Berührung. Die Anwendung dieser künstlerischen Methode auf Textildesign steht exemplarisch für Biehles offenen Geist, der bis heute seine Arbeit prägt.
Der Vietnamkrieg machte eine Rückkehr in die Schweiz notwendig, wo der junge Textildesigner 1966 seine Zelte in seiner Heimatstadt Luzern aufschlug. Schon bald hörte er wieder von seinem ehemaligen Arbeitgeber Zumsteg. Mit einem Wachstechnikentwurf in der Tasche ging es nach Paris zu Yves Saint Laurent. Biehle bestand wohlweislich darauf, bei der Präsentation dabei zu sein. Und siehe da: Der Meister war begeistert, Biehle und Saint Laurent schienen sich zudem auch privat gut zu verstehen. Die Kollektion «Les Africaines» von 1967 wurde zum ersten grossen Erfolg des französischen Modedesigners. Skandalös war damals, dass YSL seine Kollektion auf dem Laufsteg erstmals mit dunkelhäutigen Models zeigte. «Ich merkte damals zum ersten Mal, dass man aus meinen Sachen etwas noch Besseres machen konnte», resümiert Biehle heute seinen Erfolg auf bescheidene Weise. Die Kollektion brachte auch für ihn den Durchbruch, es folgten weitere Aufträge aus Paris (darunter auch Dior oder Pierre Cardin), immer allerdings für die Firma Abraham. Die künstlerische Atmosphäre in Paris gefiel Biehle zwar, er lernte auch viele Persönlichkeiten aus der Kunstwelt kennen wie etwa seinen Landsmann Alberto Giacometti. Ein Umzug nach Frankreich kam für ihn dennoch nicht in Frage, sein Atelier in der Schweiz bot ihm die nötige Ruhe für seine kreative Arbeit. Dann kam ein Telegram von Hubert de Givenchy persönlich: Er wolle mit dem Schweizer Designer arbeiten. Aus der Begegnung mit dem distinguierten Herrn entstand eine über 30-jährige Zusammenarbeit – und eine Freundschaft, die bis heute anhält. Biehle zeigt uns eine handschriftlich verfasste Geburtstagskarte von Givenchy, die ihn letztes Jahr per Post erreichte. «Bei Givenchy habe ich alles gemacht: Parfumverpackungen, Foulards, Teppiche, Geschirr», erzählt der Designer. Drei Mal in der Woche sei er in Paris gewesen, zudem häufig in der ganzen Welt unterwegs, wo er sich mit den Lizenznehmern traf. Eine international agierende Schweizer Firma war dann seine nächste Station; mittlerweile kannte man Biehle in der Modewelt. Beim Rebranding von Bally konnte er zwar einige Prozesse optimieren, es zeigten sich aber zugleich auch die Grenzen der schnell expandierenden Modebrands. Und weiter ging es. Sein Versuch, die Firma Abraham, bei der er seine Karriere gestartet hatte, zu retten, scheiterte schliesslich. Mutig zog er einen Schlussstrich unter die Sache und zog wieder in die USA. Dort genoss er es, mal keine Termine mehr zu haben, unterrichtete an verschiedenen Hochschulen und begann wieder zu malen. Back to the roots quasi. Immer das zu machen, was man gerne macht, ist auch heute noch sein Credo. Das habe ihm damals auch sein Lehrer Itten mitgegeben. Sein Weg führte ihn schliesslich wieder in die Schweiz, wo er 2014 mit dem Grand Prix Design geehrt wurde. Heute ist er zufrieden mit seiner Arbeit als Selbstständiger, er glaubt an kleine Strukturen. Er teilt sein Atelier mit mehreren jungen Grafikern, malt jeden Tag und arbeitet zurzeit an einem grösseren Auftrag für Michael Kors, einen befreundeten amerikanischen Modedesigner. Seine gestalterische Sprache wirkt auch heute noch aktuell und inspiriert gerade jüngere Gestalter. Trends entstehen nie aus dem Nichts.