Die Japanerin Rikako Nagashima entwickelte für Kinnasand Lab die Vorhangkollektion «SCRAP_CMYK». Basierend auf der Ästhetik von Andruckbögen, kreist die Grafikdesignerin damit gleich in doppelter Hinsicht um die Themen Ausschuss und Wiederverwertung – gedruckt wurde nämlich auf rezykliertes Polyester. Ganzheitliches Design und die Verbindung zur Natur sind wiederkehrende Motive in Nagashimas Werk. Neben Arbeiten im Bereich Umwelt, Kunst und Kultur untersucht sie im Projekt «Human Nature» die Beziehung zwischen Mensch, Stadt und Natur.
Rikako, wie kam die Kollaboration mit Kinnasand Lab zustande?
Rikako Nagashima: Ursprünglich hatte mich Kinnasand 2015 für die Entwicklung eines Pop-Up Stores angefragt. Doch statt ein Konzept für einen provisorischen Shop zu entwickeln, wollte ich lieber ein nachhaltiges Produkt entwerfen. Upcycling spielt in meiner Arbeit eine grosse Rolle, und weil Nachhaltigkeit für Kinnasand ebenfalls ein Thema ist, waren sie offen für die Transformation der Projektidee. Für die Umsetzung wählte ich diesen Polyesterstoff aus rezyklierten PET-Flaschen. Er fühlt sich gut an, fast wie Baumwolle.
Die Inspiration für die Vorhänge stammt aus dem Offsetdruck. Was hat dich daran gereizt, die fehlerhafte Ästhetik von Andruckbögen in einen räumlichen Kontext zu setzen?
RN: In der Installation «SCRAP AND REPRINT» stellte ich durch meine grafische Arbeit endstehendes Altpapier den Vorhängen im Raum gegenüber – ein Verweis auf die Immanenz von Abfall in der Designproduktion.
Du bist in einfachen Verhältnissen auf dem Land aufgewachsen, die Natur war omnipräsent. Wie hat dies dein Verhältnis zu Nachhaltigkeit und Konsum geprägt?
RN: Die Umgebung, in der ich gross wurde, erinnterte mich ständig daran, wie sehr unser Leben von der Natur abhängt. Schon als ich sehr jung war, achtete ich darauf, natürliche Ressourcen zu schonen und Abfall möglichst zu reduzieren. Später zog ich in die Stadt, um die Musashino Art University zu besuchen, danach arbeitete ich als Art Director in einer Werbeagentur. Oft hatte ich ein schlechtes Gewissen gegenüber der riesigen Mengen an Abfall, der durch Konsum verursacht wurde, den ich durch meine Arbeit auch noch stimulierte. Gleichzeitig gewöhnte ich mich daran. Als ich später mein eigenes Designstudio Village® gründete, wurde mir bewusst, dass ich Design dazu nutzen wollte, einen Beitrag zur Kultur und zum sozialen Wohl zu leisten.
Du gründetest Village® nach einer Begegnung mit dem Künstler Tatsuo Miyajima. Weshalb motivierte dich seine Arbeit zu diesem Schritt?
RN: Oft wird gesagt, dass Künstler ihre Fragen und Antworten in sich selber finden. Ein Designer muss sich auf die Fragen und Antworten seiner Kunden stützen. Nachdem ich in engen Kontakt mit dem Leben eines Künstlers gekommen war, merkte ich, dass auch ich als Designerin meine eigene Einstellung zu diesen Themen entwickeln muss. Dadurch konnte ich klären, welche Bedeutung meine Arbeit als Designerin hat, wo ich im Leben stehe. Das war sehr erfrischend.
Dein langjähriges Projekt «Human Nature» speist sich durch Themen aus deiner Lebensrealität. Du setzt dich dabei mit ganz verschiedenen Bereichen auseinander, wie Installationen, Mode, etc. Was treibt dich an?
RN: Ich spüre, dass es eine Wahrheit hinter der Beziehung zwischen den Dingen gibt. Nichts existiert allein, da ist immer noch etwas anderes, das ihm immanent ist. Egal wie hoch entwickelt Städte einst sein werden, so wird der Mensch dennoch immer auf die Natur angewiesen sein. So wird das Wort «Natur» immer in «Menschheit» enthalten sein, wie die Natur immer im Menschen existieren wird. Wie der Tod, der zum Leben gehört. Wir jedoch neigen dazu, dies zu vergessen. Deshalb habe ich entschieden, ein Werk zu schaffen, das von diesen verschiedenen Beziehungen inspiriert wird.
Ein wiederkehrendes Thema in deiner Arbeit ist die Verflechtung von Stadt und Land. Was bedeutet dieser Kontrast für dich?
RN: Ich glaube, dass man das eine nicht vom anderen trennen kann. Obwohl gegensätzlich, gibt es keine scharfe Trennlinie. Ordnung existiert nicht ohne Chaos. Mich interessiert dieses Dazwischen, darin ist so Vieles enthalten. Ich möchte das Unsichtbare sichtbar machen.
Als Grafikerin beschäftigst du dich intensiv mit der japanischen Schrift. Inwiefern basiert deine Arbeit auf deiner Identität als Japanerin?
RN: Geprägt von der Umwelt, in der ich aufgewachsen bin, habe ich eine ähnliche Sichtweise auf die Natur wie traditionelle Japaner. Als landwirtschaftliche Menschen lebten diese im Glauben an die Segnungen der Natur. Die japanische Perspektive auf die Natur beinhaltet die Begriffen «yami» (Dunkelheit), «seijaku» (Gelassenheit) und «yohaku» (Leere). Oft sehe ich, wie ich instinktiv damit arbeite oder mich davon inspirieren lasse, sodass yami, seijaku und yohaku in meinen Grafiken präsent sind. Die Begriffe sind schwer zu erklären – es geht einfach darum, was sich gut anfühlt.