James Turrell gilt als einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart. Dass er im Spätsommer 2018 den «Skyspace Lech» am österreichischen Arlberg eröffnete, ist eine Sensation. Mit Zumtobel als Partner wurde ein Lichterlebnisraum geschaffen, der eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass Licht und Farben die Gefühlswelt beeinflussen und so auf unser Denken und Handeln einwirken.
Licht ist für uns Menschen schlicht selbstverständlich – doch was ist Licht eigentlich? Wissenschaftlich erklärt, ist Licht Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung, die von einer Quelle wie der Sonne ausgestrahlt wird. Sie breitet sich in Form von Wellen aus – ähnlich wie die Wellen, wenn wir einen Stein ins Wasser werfen. Je nach Wellenlänge des Lichts nehmen wir unterschiedliche Farben wahr. Fällt weisses Licht durch ein Prisma, wird es in verschieden farbiges Licht aufgespalten, da die Wellen je nach Länge unterschiedlich stark abgelenkt oder gebrochen werden. Blaues Licht zum Beispiel hat eine kürzere Wellenlänge als rotes Licht und wird stärker abgelenkt. Ein ähnliches Phänomen, die Streuung des Lichts, beschert uns einen blauen Himmel. Weisses Licht besteht also eigentlich aus vielen verschiedenen Farben, die zusammen weiss wirken. Farben nehmen wir wahr, wenn ein Teil des Lichts fehlt. Fehlt zum Beispiel Rot, erscheint uns das Licht Grün, da es nur noch aus Blau und Gelb zusammengesetzt ist. Das reflektierte Licht tritt durch die Pupille in unser Auge ein und trifft auf die Netzhaut. Diese kleidet die Hinterwand des Auges aus und besteht aus Sehsinneszellen – Zellen, die drauf spezialisiert sind, den Einfall von Licht zu erkennen und die Information weiterzugeben. Sie sendet Signale aus, die über den Sehnerv zum Gehirn gelangen. Dort wird die Information von allen Sehsinneszellen zusammengenommen und ausgewertet. Das Gehirn «sieht».
Der Raum des Traums
Einen sinnlich poetischen Zugang zu Licht hat James Turrell. Für den weltberühmten Lichtkünstler entstehen die meisten Farben erst im Kopf: «Wir Menschen denken, dass wir die Erfahrungen von aussen empfangen – aber wir schaffen sie in unserem Gehirn.» Turrell erzeugt nicht das Licht, das wir normalerweise mit geöffneten Augen sehen, sondern Farben, die wir aus unseren Träumen kennen. Der Raum des Traums interessiert ihn, seine Regeln sind anders. Dies will er zeigen. Und genauso funktionieren die Skyspaces, die der Lichtkünstler an verschiedensten Orten bereits geschaffen hat: «Ich färbe den Himmel scheinbar in unterschiedlichen Farben.» Auch in Lech am Arlberg hat James Turrell einmal mehr einen magischen Ort geschaffen. Der grösstenteils unterirdische Skyspace verschmilzt nahezu unsichtbar mit der hochalpinen Landschaft. Am Berg selbst sind nur eine elliptische Kuppel und ein ebenfalls elliptisch gerundeter Bau aus Naturstein zu entdecken. Unter ihr befindet sich ein ovaler Lichtraum, der durch die Öffnung in der Ecke einen eigenen Blick auf den Himmel ermöglicht und optisch näher zum Betrachter bringt.
Welch beeindruckende Wirkung die zeitgenössische, lichtpoetische Kunst Turrells in Österreichs Naturlandschaft umringt von Bergen entfalten kann, zeigt sein neuestes Projekt. Auf Initiative des privaten Vereins «Horizon Field», der Kunstprojekte in Vorarlberg fördert, entstand in Lech am Arlberg ein neuer Skyspace inmitten seiner hochalpinen Landschaft. Zugang gewährt ein unterirdischer Tunnel, dessen Blickachse exakt auf den imposanten Biberkopf-Gipfel ausgerichtet wurde, der in einem Lichtraum mündet. Zum Sonnenaufgang der Sommersonnenwende hinter dem Biberkopf gelangen sogar die ersten Sonnenstrahlen in den Lichtraum – «Sensingroom». Von diesem erschliesst sich durch die in die Decken eingeschnittene elliptische Öffnung ein nahezu surreal naher Blick auf den Himmel des Arlbergs. Um die sinnliche Wahrnehmung der Besucher noch intensiver zu verändern, taucht Turrell das unterirdische Gebäude in wechselnde, hell leuchtende Lichtfarben. Einzigartig beim Skyspace Lech ist die Kombination mit einer zweiten wichtigen Konzeption des Licht- und Raumkünstlers – dem «Ganzfeldraum» – der bei geschlossener Kuppel seine gesamte Wirkung entfaltet. Unter einem «Ganzfeld» wird bei James Turrells Lichtkunst ein strukturloses, gleichmässig ausgeflutetes Sehfeld verstanden, das durch seine Homogenität keinerlei Orientierung bietet. Die Architektur löst sich auf.
James Turrell und Baumschlager Eberle
Die Sonderlichtlösung von Zumtobel, die aus einem Amber LED-Streifen mit RGB-Farbverlauf sowie einem «tunableWhite»-Streifen besteht, wurde in enger Abstimmung mit James Turrell im Vorfeld programmiert. Angesteuert wird sie über das Lichtmanagementsystem «Luxmate DMX». Um den Übergang der Beleuchtung vom Beginn des Ganges bis hin zum Raum des Skyspaces so sanft wie nur möglich zu gestalten, wurden opale Abdeckungen eingesetzt.
Für den Entwurf des Skyspace Lech fertigte Turrell eine Vielzahl von Skizzen an. Anhand dieser strengen, künstlerischen Vorgaben plante das Architekturbüro Baumschlager Eberle aus Lustenau das hochkomplexe Bauwerk, in enger Zusammenarbeit mit seinem langjährigen Lichtpartner Zumtobel. Die extremen Witterungsbedingungen, das Verhalten von Mensch und Tier, die Gewährleistung der Sicherheit, die Ausformung, Statik und Anforderungen an Winkel und Oberflächen sowie die perfekte Ausleuchtung der verschiedenen Raumbereiche waren eine ausserordentliche Herausforderung für die Planer. «Licht ist so viel mehr als nur reine Beleuchtung», sagt Karin Zumtobel, Head of Culture & Arts der Zumtobel Group und führt weiter aus: «Es beeinflusst unser Fühlen, Denken und Handeln. Als internationaler Lichtkonzern ist es uns daher ein besonderes Anliegen Menschen zu zeigen, was Licht über die bekannten Anwendungen hinaus leisten kann. Die Kunst von James Turrell stellt Licht in einen sehr poetischen, sinnlichen Kontext und lässt den Betrachter mit den Augen fühlen».
Auch mit seinem neuesten Skyspace in Lech beschäftigte sich James Turrell intensiv mit der Beziehung zwischen Licht und Raum – grosse Räume, in denen sich die Betrachter auf einfachen Sitzgelegenheiten an den Wänden niederlassen können und wo eine Öffnung in der Decke die Sicht auf den Himmel frei gibt. Seine Lichttunnel und Lichtprojekte erzeugen Formen, die Masse und Gewicht zu haben scheinen, jedoch nur aus Licht bestehen. Turrell interessiert die Landschaft ohne Horizont, denn die Menscheit bewege sich für den Lichtkünstler zunehmend in eine solche Landschaft hinein. «Ich bin ein Architekt des visuellen Raums und lasse den Menschen diese Landschaft erfahren. Manche Menschen verlieren dabei die Balance, aber nur kurz, denn ich bringe sie wieder zurück. Wir sind uns nicht bewusst, dass wir selbst dem Himmel seine Farbe geben».