Wer einmal in Andreas Caminadas Büro war, weiss, dass in dem 3-Sterne-Koch auch ein kleiner Designfreak steckt: An der Wand neben seinem Schreibtisch stapeln sich Schüsseln, Becher und Teller aller Couleur und Macharten. Ganze Geschirrserien aus fremden Ländern, Prototypen, die er selbst mit einem Schreiner hat anfertigen lassen und Einzelstücke, die ihm aufgefallen sind. Man merkt dem Bündner die Freude an, dass seine mittlerweile sieben Restaurants ihm nicht nur kulinarisch, sondern auch designtechnisch Spielraum lassen. Warum sein neues Restaurant «Oz» (eröffnet am 17. Juni 2021) sowohl mit japanischem Zenstil als auch robuster Töpferkunst aufwartet, welche Überraschungen und Pleiten er als Gemüsebauer erlebt und wie er zu veganer Speisekunst steht, erzählt er im Interview auf Schloss Schauenstein.
Dieser Tage eröffnen Sie in Fürstenau ihr erstes rein vegetarisches Restaurant. Ist das „Oz“ ein Ergebnis der vielen grüblerischen Lockdown-Abende?
Andreas Caminada: Nein, nein (lacht). Es war eher ein Prozess, der in den vergangenen zwei Jahren Fahrt aufgenommen hat. Im «Oz» war früher die Remise, wo wir für Gruppen auch immer mal wieder das Schlossmenü serviert haben. Die grosse Tafel wurde mit einem weissen Tischtuch eingedeckt und obwohl die Stimmung durchaus festlich war, hatte ich ein Störgefühl
Wieso das?
AC: Weil es vom Ambiente her nicht auf dem Niveau des Schlosses war und es sich für mich schlicht falsch anfühlte, hier das Menü aufzutischen. Die Idee für das „Oz“ keimte dann sprichwörtlich in unserem Garten. Vorletzten Dezember fingen wir an, uns stärker auf den Anbau im Garten und den in unseren Gewächshäusern zu konzentrieren. Ein vegetarisches Konzept lag in der Luft und ehrlicherweise ist jetzt auch genau der richtige Zeitpunkt – in zwei Jahren hängt man schon wieder hinterher.
Man reisst grundsätzlich alles viel zu früh aus dem Boden heraus.
Warum der eigene Anbau?
AC: Zum einen fand ich es schon immer wichtig, dass sich auch meine Köche um den Garten kümmern. So entwickeln sie ein innigeres Verhältnis zu dem Gemüse und Obst, dass sie verwenden. Darüber hinaus haben wir einfach das Problem gehabt, dass inzwischen von hier nach Zürich alle den gleichen Lieferanten hatten. Entsprechend kocht auch jeder mit den gleichen Produkten. Wir wollten den Anbau selbst in die Hand nehmen, um eine Vielfalt zelebrieren zu können und uns von den anderen Restaurants abheben zu können. Ein eigenes Gartenlabor ist teuer, aber es lohnt immens.
Inwiefern?
AC: Man reisst grundsätzlich alles viel zu früh aus dem Boden heraus. Einem Garten Raum und Zeit zu schenken ist das grösste Geschenk, dass es gibt. Wenn man etwa ein Radieschen einfach mal wachsen lässt, kommen auf einmal gewisse Knospen hervor, die wie ein kleines Embryo aussehen. Schmeckt dazu noch das komplett nach Radieschen. Wer Brokkoli wuchern lässt, wird mit zahlreichen Blumen beschenkt, die wir dann auch wieder neu einsetzen können. Der Garten ist insgesamt wichtig für unser Schaffen, nicht nur fürs Oz, auch fürs Schloss und die Casa.
Gab es denn auch schon mal eine Pflanzenpleite?
AC: Klar! Unseren 45 verschiedenen Feigenbäumen war der Winter zu kalt, die mussten wir gerade fast bis zur Wurzel runterschneiden, das tut dann schon ein bisserl weh. Aber es gibt auch Highlights: unsere Erdbeeren etwa, die sind grossartig. Wenn man die frisch gepflückt noch warm in den Mund steckt, ist das ein echtes Erlebnis.
Nur noch 0,5 Prozent der Schweizer Bevölkerung spricht Rätoromanisch, deswegen sei die Frage erlaubt: was bedeutet Oz?
AC: Oz heisst heute und spielt auf das spontane an. Heute gibt es etwas anderes als morgen, je nachdem, was der Garten hergibt. Mein Cousin Remo hat wieder die Gestaltung der Karte übernommen und Oz liess sich zudem sehr hübsch als Logo designen.
A propos Design, das Geschirr im Oz sticht hervor. Wer Sie kennt, weiss: kein Zufall. Wie kam es zu dem Look?
AC: Während im Schloss weisses Porzellan dominiert und das Igniv viel Glas und blumiges Dekor einsetzt, konnte ich im Oz passend zu der ganzen Atmosphäre und der erdverbundenen Karte Getöpfertes von Studio Mattes aus Belgien auf den Tisch bringen. Das gefällt mir auch privat wahnsinnig gut, war aber beispielsweise im Schloss immer tabu – das entsprach nicht der Designsprache dort. Jetzt habe ich wieder ein neues Gefäss, um meine Liebe zu Design und Architektur auszuleben. Fürs Oz haben wir zudem die schlichten Teller und Schalen nach japanischer Handwerkskunst gewählt, die wiederum auch sehr gut zu dem im reduzierten Zenstyle gehaltenen schlichten Tresen aus Bergahorn passen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
AC: Zum einen habe ich mit unserem Küchenchef Timo Fritsche und Sommelier Giuseppe gebrainstormt, in welche Richtung der Tabletalk gehen muss. Und dann fängt man an zu störbern. In Läden, auf Instagram, im Netz. Gerade bin ich dabei mit einer Zürcher Keramikkünstlerin zu schauen, ob sie etwas für uns entwickelt.
Stimmt es, dass Sie auf Reisen Ihr eigenes Geschirr mitnehmen?
AC: Sie meinen, wenn wir kochen? Als wir mit dem Igniv die St. Regis Tour in Bangkok gemacht haben, hatte ich konsequent alles dabei und auf einem Gourmetfestival in Gstaad habe ich sogar die Tischdekoration vorher eigens anfertigen lassen. Da geht es um das Gesamterlebnis.
Worauf freuen Sie sich bei dem Oz-Menü aktuell eigentlich am meisten?
AC: Vorneweg die rohen und fermentierten Geschichten von Gurke über Radieschen mag ich immer – einfach erfrischend. Aber die Pepperoni mit Pfirsich und Kappuzinerkresse ist grandios. Aber auch die Aubergin mit ihrer leichten Säure und Würze, dazu der Safran und schwarze Knoblauch, das hat eine Sättigung und tiefe Kraft – da wird sich garantiert auch jeder Fleisch-Liebhaber reinlegen wollen!
Wie steht es eigentlich mit Ihrem privaten Essverhalten – gibt es inzwischen mehr Veggiegerichte als noch vor zehn Jahren?
AC: Bei uns gibt es einmal die Woche Fisch und sicher inzwischen weniger Fleisch, als früher. Wir müssen für die Familie ja eh immer ein bisschen im voraus planen: Spätzlepfanne, Reisgerichte, Grillgemüse und Salate mögen alle bei uns zuhause. Mein ältester Sohn weist auch schon erste Tendenzen auf, dass er kein Fleisch mehr essen möchte. Allerdings ist’s ihm bei Anblick eines richtig schönen Braten auch wieder egal. Meine erste Partnerin, mit der ich vor 18 Jahren das Schloss geführt habe, war Veganerin und entsprechend haben wir uns damals ernährt.
Damit waren Sie Ihrer Zeit voraus!
AC: Stimmt, aber ich fand das immer lecker und habe nie etwas vermisst. Ich habe auch für Gäste vegan gekocht. Zu einer Zeit, als alle anderen allein beim Gedanken daran die Wände hochgegangen sind. Ich habe das immer als spannende Herausforderung gesehen. Mit der Zeit kamen dann auch immer mehr Ersatzprodukte wie Sojamilch und Creme, was wiederum für die Konsistenzen neue Möglichkeiten schuf. Die ausgewogene Küche ist nun mal die Zukunft und allein umwelttechnisch, gibt es da auch keine zwei Meinungen. Es muss sich ja jeder nur ein bisserl zurücknehmen und nicht an sieben Tagen die Woche Fleisch servieren. Und wenn wir mit dem Oz ein paar Inspirationen für daheim geben können, freue ich mich umso mehr.
Restaurant «Oz»
Fürstenau, Graubünden (CH)
9 oder 12-Gänge-Menü für CHF 194/220
Reservation unter: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Gemeinsam mit dem Schweizer Küchenspezialisten Orea hat Andreas Caminada eine Küche entworfen. Bei dieser Zusammenarbeit stand die gemeinsame Leidenschaft für natürliche Ressourcen und Materialien im Vordergrund. Mehr Infos finden Sie hier.