Eine sanfte Brise weht durch den offenen Raum, während die Abendsonne alles in ein rotgoldenes Licht taucht. Im Hintergrund hört man das Zirpen und Schrillen der Webervögel, Wachsschnäbel und Finken, deren Gesang durch die Küche und wieder hinaus in den Garten gleitet.
Die Witklipfontein Eco Lodge, die sich nur 90 Minuten von Johannesburg entfernt befindet, bietet ein Naturerlebnis sondergleichen. «Die Sanftheit der Landschaft war es, in die ich mich von Anfang an verliebt habe», sagt der belgische Architekt Xavier Huyberechts, der das Haus zusammen mit seinem Bruder Damien entworfen und gebaut hat.
Und so wurde stark darauf geachtet, Erstere nicht gross zu stören. Um dies zu erreichen, wurde der Boden am Fuss des leicht hügeligen Bauplatzes leicht angehoben und das Haus regelrecht «untergeschoben». Und auch von oben betrachtet verschwindet die Lodge durch ihr begrüntes Dach, das sich wie eine Decke nahtlos vom Hang über das Haus zieht, beinahe in der weitläufigen Landschaft.
Xavier betreibt in Johannesburg das Architekturbüro GLH Architects, das für Projekte im Bereich der nachhaltigen Architektur bekannt ist. Die Lage des Bauplatzes – unweit des Vredefort-Kraters, der ältesten und grössten Meteoriteneinschlagstelle der Welt und heutiges Unesco-Weltnaturerbe – inspirierte ihn jedoch dazu, die Grenzen des grünen Bauens noch weiter auszuloten.
Grünes Erdhaus
Inspiration fand der Architekt in den traditionellen, landestypischen Bauweisen, die er neu interpretierte. Das Ergebnis ist eine beinahe komplett zementfreie Konstruktion aus Stein und Erde. Die Verwendung von rohen Materialien verleiht dem Haus ein warmes Gefühl und soll seine Bewohner:innen wieder mit der Natur und den wesentlichen Dingen des Lebens in Einklang bringen.
Dabei ist die Öko-Lodge alles andere als ein einfaches Erdhaus. Eine Steinmauer, die am oberen Ende des Weges ebenerdig beginnt und bis zum Eingang des Hauses ansteigt, führt die Bewohner:innen und Gäste ins Haus hinein. Drinnen öffnet sich der Eingangsbereich in die offene Küche und den grosszügigen Wohn- und Essbereich mit Kamin.
Riesige, 5,4 Meter hohe Fenster lassen hier Sonnenlicht herein und verschmelzen den Innenraum mit der spektakulären Natur draussen. «Im Sommer sind die Fenster von 7 Uhr bis 22 Uhr geöffnet», so Xavier. Die für den Boden im Wohnbereich verwendeten Granitplatten, die aus Rest stücken stammen, die auf dem Grundstück vorgefunden wurden, funktionieren als natürlicher Wärmespeicher: Tagsüber nehmen sie die Wärme des Sonnenlichts auf und strahlen diese nachts in den Raum ab, was eine Bodenheizung überflüssig macht. Hinzu kommt ein wärmeregulierendes Rollladensystem, das den Innenraum an heissen Tagen kühl hält. Weitere Innovationen der Lodge sind die solarbetriebene Warmwasseraufbereitung und die Fotovoltaik-Stromerzeugung.
Auf Mass
Die offene Küche mit holzverkleideter Kücheninsel überblickt den Essbereich und bietet direkten Zugang zur überdachten Veranda, die den Wohnraum nach aussen hin ergänzt. Eine Outdoor-Lounge lädt hier zu geselligen Runden ein. Drinnen kommen die Bewohner:innen und Gäste auf der eingebauten Sofaecke zusammen.
Dahinter, leicht erhöht, ist ein Arbeitstisch eingebaut, der den Wohnraum überblickt. Eine Vielzahl der Möbel in der Lodge wurde eingebaut, wodurch der Transportaufwand und der CO2-Fussabdruck des Hauses zusätzlich verringert werden konnten. Das Ergebnis ist eine Inneneinrichtung, die laut Xavier zwar recht minimalistisch ist, aber durch die Vielfalt der Oberflächen sowie die warme, erdige Farbpalette nicht kalt oder streng wirkt. «Für mich ist es immer sehr wichtig, die Umgebung zu würdigen und ein sinnliches und räumliches Erlebnis zu schaffen», fügt Xavier an.
Höhlengleich
Ein weiterer einzigartiger Raum befindet sich nebenan: eine versenkte Kuppel, die nur durch ein Oberlicht beleuchtet wird und unter der sich eine runde Sofalandschaft befindet. Das einfallende Licht verleiht dem Raum eine geradezu mystische Atmosphäre. «Es ist ein schöner Ort, um eine Siesta zu halten oder um Musik zu hören», sagt Xavier.
Auf dem Weg zum Schlaftrakt schrumpft das Volumen des Hauses. «Der Fussboden folgt dem natürlichen Gefälle des Geländes und schafft so gemütlichere, intimere Räume näher am Hang», erklärt der Architekt. Der Gang zu den Schlafzimmern führt vorbei an einer Bibliothek mit einem in die Mauer eingelassenen Fenstersitzplatz, der den Eingangsbereich überblickt und einen gemütlichen Leseplatz bildet.
Die beiden Kinderzimmer wie auch das Hauptschlafzimmer mit En-Suite-Bad verfügen über eine reiche Vielfalt an Materialien und Texturen: Helles Holz kleidet den Fussboden, die Wände und Einbaumöbel sind in Stein, Lehm und Holz gehalten und schaffen eine zurückhaltende und zugleich warme Atmosphäre.
Dazu schaffen Textilien aus Leinen in Blau-, Gelb-und Ockertönen gekonnte Farbakzente. Grosse Glastüren geben auch hier den Blick in die umgebende Natur frei. Durch die Positionierung der Lodge zwischen Bäumen und Sträuchern fühlt man sich dennoch geschützt. Gleichzeitig wird das Gebäude von aussen nie auf einmal wahrgenommen, was dazu beiträgt, dass es unscheinbarer wirkt und sich auch wilde Tiere immer wieder der Lodge nähern. Dem Aufwachen mit Antilopen, Finken und Erdmännchen steht in dieser Öko-Lodge nichts im Wege.
«Der Fussboden folgt dem natürlichen Gefälle des Geländes und schafft so gemütlichere, intimere Räume, die näher am Hang liegen.»