«Als wir beide 2013 unseren Abschluss hatten, lagen die Jobs nicht gerade auf der Strasse. Also fingen wir an zu überlegen, wie wir uns selbstständig machen könnten.»
Manchmal sind es Kleinigkeiten, die über Erfolg und Misserfolg eines Interviews entscheiden. Beim Treffen mit der Textilkünstlerin Abigail Booth und Schnitzer Max Bainbright in ihrem Londoner Townhouse ist es die Frage nach Kaffee oder Tee. Letzteres bitte, ja, gern Milch und Zucker, zwei Stück dazu. Ein Blickwechsel zwischen den Machern des Labels Forest+Found. «Ganz genau, wie du ihn trinkst, Max», sagt Abi, und zufrieden nippen wir an den verschnörkelten Henkelbechern, die so gar nicht zu dem puristischen Design des viel beachteten Newcomer-Labels passen wollen. Dass die beiden mit ihren Holzschüsseln, Löffeln, Brettern und Quilts im Quäker-Stil derart erfolgreich sein würden, hätten sie vor ein paar Jahren auch noch nicht gedacht. Damals sassen sie im französischen Landhaus von Max’ Grosseltern. Abi brachte sich gerade mithilfe eines Buchs und einem Stapel alter Leinendecken bei, Patchworkdecken zu nähen, während Max sich an Schnitzarbeiten versuchte. Mit dem Erlös von aufgearbeiteten Möbeln auf ebay kauften sie sich dann nach und nach neue Näh- und Drehmaschinen und begannen, ihr Geschäft zu finanzieren: Forest+Found.
Ohne den Wald würde Forest+Found nicht existieren: Während Max aus Kastanie, Eiche, Buche und Birke Schalen, Löffel und Skulpturen schnitzt, färbt Abigail ihre Quilts und den Wandschmuck mit Baumrinde. Warum haben Sie sich für Holz als Arbeitsmaterial entschieden?
Abigail Booth: Als wir beide 2013 unseren Abschluss hatten, lagen die Jobs nicht gerade auf der Strasse. Also fingen wir an zu überlegen, wie wir uns selbstständig machen könnten. Wir suchten nach einem Material, das wir mit den Händen bearbeiten könnten, das schnell zu haben wäre und nicht viel kostet. Max rief einen ihm bekannten Forstarbeiter an, und der war begeistert, Baumabfälle loswerden zu können.
Was macht Holz für Sie so besonders?
Max Bainbright: In nur einem Stück Holz steckt so viel Wunderbares gleichzeitig: Es kann weich sein und nachsichtig, gleichzeitig aber irre stark und belastbar. Ich glaube ja, dass Holz als Material so aussergewöhnlich ist, weil es gelebt hat. Es ist gewachsen, war den Naturgewalten ausgesetzt und musste sich seiner Umgebung anpassen. Je mehr man mit Holz arbeitet, desto feiner wird das Gespür dafür, wie das Material reagiert. Es ist niemals, als kämpfe ich gegen seine Natur an. Natürlich ist die physische Arbeit zuweilen sehr intensiv, aber das Holz an sich leistet mir keinen Widerstand. Es ruft etwas in mir wach, mit seinen ganzen verschiedenen Gerüchen und Texturen.
Welche Bedeutung haben die Waldausflüge für Sie? Sie könnten sich das Material ja auch liefern lassen ...
Beide: Oh Gott, bloss nicht!
MB: Selbst in die Natur zu gehen, die Umgebung zu atmen und die Geschichte des Holzes zu kennen, beispielsweise zu wissen, ob seine Form durch einen Sturmschaden entstanden ist, beeinflusst auch das Design.
Was ist der Lieblingspart an Ihrer Arbeit?
MB: Ich kann eher sagen, was ich am wenigsten mag: das Schleifen! Langweilig. Schmutzig. Staubig. Elend. Ich tendiere blöderweise dazu, Dinge liegen zu lassen und dann bin ich ein paar Tage am Stück mit nichts anderem als Schleifen beschäftigt.
Können Sie dabei nicht einfach eine spannende Serie schauen?
MB: Ich wünschte, das könnte ich! Aber ich hör mir wenigstens Podcasts dabei an.
AB: Das mache ich auch. Vielleicht ist das auch der Schlüssel zu unserer erfolgreichen Zusammenarbeit – wir tragen in unserem Studio Kopfhörer und gehen uns nicht gegenseitig auf den Geist (lacht).
Wie ist es denn bei Ihnen, Abi, gibt es einen Lieblingspart?
AB: Ich finde alles toll. Ich habe ja auch das Glück, dass ich von Max’ harter Arbeit profitiere und mit seinem Schnitzabfall werkeln darf. Ich weiche das Holz in Wasser ein und fermentiere es – es ist geradezu magisch, was da für Farben entstehen. Pflaume erzeugt einen Rosaton, Walnuss tendiert zu Gelb und das in Eiche enthaltene Tannin wirkt wie eine natürliche Gerbsäure. Darüber hinaus färbe ich meine Stoffe auch mithilfe von Pflanzen wie gelbem Ginster, es ist fabelhaft, was die Natur bietet.
Wie lange brauchen Sie für einen Quilt?
AB: Zwischen drei und fünf Wochen, es kommt auf so viele Komponenten an, allein das Färben braucht Zeit.
MB: Und eine Schale kriege ich manchmal schon in einer Stunde hin, es kommt auch da drauf an, wie schnell sie mir von der Hand geht. Manchmal sitze ich aber auch drei Tage am Stück dran, wenn es eine echt grosse ist, und wenn es sich um frisches, gerade geschlagenes, feuchtes Holz handelt, kann es auch mal drei oder sechs Wochen lang dauern. Das liegt an den Trockenprozessen, die brauchen ihre Zeit.