Hat das Design-Universum einen neuen Star erkoren, reflektiert dieser so stark im Scheinwerferlicht, dass der Beobachter daran zu erblinden droht. So geschehen anfangs Jahr. Nahezu sämtliche Medienagenturen verschickten Mails mit Produktneuheiten von Sebastian Herkner, um auf die Internationale Möbelmesse Köln (imm cologne) hinzuweisen. Bei mir führte es soweit, dass ich alle Mails mit dem Wortlaut Herkner ungeöffnet in den Papierkorb schmiss. Der europäische Designmarkt schien nur noch einen Namen zu kennen - und das seit vier Jahren. Damals hatte Herkner die Installation «Das Haus» auf der imm cologne umgesetzt und präsentierte sein Statement zum zeitgenössischen Wohnen. Ich fand seinen Entwurf einer der besten und authentischsten der letzten Jahre. Und seinen Bell Table für ClassiCon würde ich mir sofort in die Wohnung stellen. Aber all die Design-Firmen, die Herkner in den letzten drei Jahren umworben und all die Magazine, die ihn mit positiver Kritik überschüttet haben, nahmen mir die Freude - und noch schlimmer, die Neugier auf den deutschen Designer. Herkner selbst trägt keine Schuld - ausser, dass er sich vielleicht öfters Ferien gönnen sollte, um seinen Produktionsfluss einzudämmen. Ich meine, fährt Herkner denn nie in den Urlaub? Er ist wie das Lieblingslied, das ununterbrochen im Radio läuft. Anfangs versetzt es einen noch in Euphorie, nach dem 50. Mal ist man nur noch genervt. Zudem mag ich mich nicht mit Themen herumschlagen, die andere bereits abgehandelt haben. Noch weniger mag ich mich ab unreflektierten Trends langweilen, die von Menschen und Magazinen hin und her geschoben werden. Sebastian Herkner ist ohne Zweifel ein Ausnahmedesigner, das zeigt auch sein Portfolio: Moroso, Emu, Wittmann, Dedon, Gloster, &Tradition, Rug Company - um nur einige Namen zu nennen. Kaum ein anderer Designer kann da mithalten. Und genau das störte mich so ungemein. Messen wie die imm cologne bieten Unternehmen die beste Gelegenheit, sich von anderen abzusetzen und Neues zu wagen. An der Messe will ich neue Designansätze sehen und Namen ins Notizbuch kritzeln, die ich zuvor noch nie gehört habe. Ohne dass sich das Web bereits eine Meinung darüber gebildet hat. So liess ich mich auf der imm unbeirrt durch die Hallen treiben. Nach zwei Tagen waren meine Favoriten erkoren: die runden auberginefarbenen Glasleuchten, die wie kleine Planeten über dem Pulpo-Stand schwebten, der minimalistisch neuinterpretierte Servierwagen von Schönbuch, das ONO-Bett von Schramm Werkstätten, das ein elegantes und reduziertes Design vereint und schliesslich das exotische Wohnaccessoire-Ensemble von Ames, das unaufdringlich den Süden zelebrierte. All diese Produkte, so unterschiedlich sie in Stil, Materialwahl und Ausführung auch waren, hatten denselben Nenner: Sebastian Herkner. Erst fühlte ich mich ein wenig hintergangen. Dann erleichtert. Denn mich hatte seit langem wieder jemand überrascht. So sehr, dass ich schnell einen Interviewtermin mit Sebastian Herkner für den Salone del Mobile in Milano ausmachte - und ich liess es mir natürlich nicht nehmen, ihn zu fragen, wann er dann doch mal in den Urlaub fährt.
Das Interview gibts übrigens demnächst hier zu lesen.