Am frühen Morgen lassen sich die Rehe vorsichtig hinter den Gräsern sehen, am Mittag picken fünf Seidenhühner zwischen den Staudenrabatten. Ein Haus, direkt am Landschaftsschutzgebiet, in einer Stadt, die nicht an den grossen Wegpunkten liegt, aber Architekturgeschichte geschrieben hat: Mies van der Rohe hinterliess seine Spuren in Krefeld und auch der Bau, den Hillekamp + Weber für eine Familie gestaltet haben, besitzt die Kühnheit des Bauhauses – mit klaren Raumfluchten und einer zeitlosen Innengestaltung. «Ich würde mich nie Bauhäusler nennen», unterstreicht Uwe Hillekamp, der das Architekturbüro in Mönchengladbach gegründet hat, «aber wir arbeiten eindeutig in der Tradition.»
Charaktervolle Backsteinfassade
Für den Entwurf des Krefelder Hauses verfolgte das Architektenteam die eigenen Spuren – im Jahr 2006 hatte es schon das benachbarte Elternhaus entworfen. War der Sohn des Hauses damals noch im Studium, kam er 2018 mit Familie zurück in die Seidenstadt und wählte das Grundstück neben seinem Elternhaus aus.
Eine ästhetische Allianz: Das Haus mit den drei Innenhöfen gewann 2008 den renommierten Fritz-Höger-Backstein-Preis. «Wir sind spezialisiert auf langlebige Ziegel- und Backsteinbauten», erklärt Uwe Hillekamp. Auch der Neubau des Sohnes erhielt eine charaktervolle Backsteinfassade. Der handgeformte Stein stammt aus der Manufaktur Gillrath im 50 Kilometer entfernten Erkelenz, die eine individuelle Stein-Rezeptur für Krefeld entwickelte und in ihrem Ring-Brandofen, übrigens dem letzten in Nordrhein-Westfalen, fertigstellte.
Thermoholz an der Fassade
Während bei der Materialität für die Fassade Klarheit herrschte, bereitete dem jungen Bauherren-Paar die äussere Gestaltung des Hauses Kopfzerbrechen. Der Wunsch nach der Geborgenheit eines Landhauses traf auf die Vorliebe eines geradlinigen Bauhaus-Entwurfs. Hillekamp + Weber fanden die passende Antwort: Zwei Kuben werden durch einen mediterranen Innenhof verbunden.
Vor der Hausfassade, die Richtung Landschaftsschutzgebiet zeigt, wird das herauskragende Obergeschoss von einer geraden Säulenlinie getragen; sie vermittelt das erwünschte Behütetsein. Das Material nimmt mit seiner Fassade das prämierte Elternhaus auf, zeigt aber einen eigenen Federstrich durch einen neuen, warmen Grauton der ausgewählten Backsteine. Passend lasiert wurde das Thermoholz an der Fassade.
Stimmige Materialien
«Unsere Architektur spielt immer mit Achsen und Durchblicken», erklärt Uwe Hillekamp, während er den Eingang betritt. In einer Geraden führt der Flur an tiefen Fenstern mit Ausblicken zum Garten vorbei in das Herz des Hauses, in die Küche. «Hier ist unser Mittelpunkt, hier findet das Familienleben statt», beschreibt die Bauherrin. «Wir empfangen Gäste, die Kinder können ihre Hausaufgaben machen. Für uns stand von Beginn an fest: Ein geselliges Haus muss es sein.» Ein 6 Meter langer weisser Küchenblock bestimmt den Raum, die Spüle aus Marmor und eine Rückwand aus gleichem Stein spiegeln die Liebe zur Materialität. Möbel und Einbauten ergänzen die Architektur wie massgeschneidert.
Kein Zufall, sondern das zweite Merkmal von Hillekamp + Weber: Alle Einbauten gehen – ganz in der Tradition der Bauhäusler – auf sie zurück und wurden mit einem Tischlermeister hochwertig um gesetzt. Ergänzend zu den stimmigen Materialien: geräucherte Eiche als lange Bodendiele, die Bäder mit selbst entworfenen Waschtischen und Platten aus Limes Dolo mit. Ein braungrauer Stein, der sich auch auf den Gehwegplatten im Aussenraum befindet. Ein roter Faden, der Innen und Aussen verbindet.
Der Garten als Orchester
Den Charakter des lichtdurchfluteten Hauses unterstreicht ein blühender Aussenraum. «Mir war wichtig, dass der Garten sich auf das Haus bezieht», erzählt die Bauherrin, «er ist ein echter Anziehungspunkt für uns und sollte eine üppige Bepflanzung zeigen.» 4000 Stauden wurden eingesetzt.
Heute empfängt der Vorgarten den Besuch mit einem wogenden Orchester aus Ziest, Storchenschnabel, Dost, Astern und vielen weiteren Stauden. Die Blühfolgen sind mit Blumenzwiebeln unterfüttert, Gräser sorgen für Leichtigkeit und Schwung. Alles ist orchestriert und abgestimmt.
«Zeitlosigkeit ist für mich ein wichtiger Faktor», erklärt der Landschaftsarchitekt Burkhard Damm. Von der Hausnummer bis zum Zaun, zur Outdoorküche, zu den rund 2000 Quadratmeter Staudenbeeten oder zur parkartigen Gesamtanlage – durchgängig trägt der grüne Aussenraum seine Handschrift. Mit Materialien, die in Würde altern, Durchblicken, die Rahmungen entstehen lassen, und pflanzlichen Wiederholungen, die Ruhe schaffen.
Im Vorgarten wählte er den gelben Phlomis oder das Weisse Weidenröschen, das er als junger Gärtner im südenglischen Sissinghurst entdeckte. «Für mich ist ein Garten mit Winter-Silhouette unerlässlich», erklärt Burkhard Damm. So übersetzte der Landschaftsarchitekt die Achsen und Durchblicke, die Hillekamp + Weber für das Innen fanden, gekonnt in den Aussenraum. Ruhige Mittelachsen aus Stauden- und Gräserbeeten unterstreichen die Tiefe des Grundstücks und ziehen die Blicke weit in den von Kopfweiden und Wiesen geprägten Niederrhein.
Über diesen legt sich heute Morgen der Nebel wie eine Decke. «Es ist der schönste Moment, wenn frühmorgens die Nebelschleier heraus- kommen – dann nach draussen und arbeiten: der perfekte Start in den Tag!»