In Berlin gibt es Hunderte von Läden mit einem interessanten und speziellen Interior. Doch dieser Shop hat sich bei Design-Liebhabern herumgesprochen. Der neue Flagship-Store der Mode- und Lifestyle-Plattform Highsnobiety. Er sticht mit seinem einzigartigen Konzept deutlich heraus.
Die Macher:innen von Highsnobiety haben neben ihrem weltweit bekannten Onlineshop nun ihren ersten Brick-and-Mortar-Store eröffnet. Und zwar an bester Lage: Unter den Linden im Herzen von Berlin.
Touristen treffen auf Fashionistas
Trotz der Top-Adresse an Berlins Prachtmeile ist das Konzept gewagt. Unweit des Brandenburger Tors tummeln sich vor allem Touristen und nicht in erster Linie Fashionistas, die sich einen Sneaker für 500 Euro oder ein Shirt für 250 Euro kaufen.
Anhänger von Brands, die zwar aus der Subkultur stammen, aber trotzdem teuer sind, bewegen sich eher in den Berliner Stadtteilen Kreuzberg oder Neukölln. Der Bruch mit der Präsenz an der Touristenmeile sei aber bewusst gewählt, sagen die Macher:innen. Er passe zum Konzept, weil auch der Laden selbst mit Brüchen und Gegensätzen spielt. Ein Laden ist längst nicht mehr nur ein reiner Verkaufsraum, sondern soll eine Story erzählen und ein Lebensgefühl vermitteln.
Highsnobiety hat sich in den letzten Jahren als eine der ersten E-Commerce-Adressen bei Modeanhängern etabliert. 2022 stieg Zalando als Mehrheitsaktionär bei Highsnobiety ein. Der ursprünglich aus der Schweiz stammende Gründer David Fischer sowie sein Geschäftspartner Jürgen Hopfgartner konnten die Eigenständigkeit der Marke aber bisher behalten.
Wie einige E-Commerce-Anbieter wollte aber auch Highsnobiety einen physischen Store als Anlaufstelle für ihre Kund:innen. Interessante Randnotiz: Highsnobiety hatte mit «Gatezero» im Jahre 2021 bereits einen Pop-up-Store am Zürcher Flughafen.
Kontrastreiche Innenarchitektur
Ich liebe Shopdesign, und deshalb wollte ich mir den Highsnobiety-Store unbedingt anschauen. Mit der saubersten U-Bahn-Linie Berlins, der U6 bis zum Hauptbahnhof, gelange ich bis fast unmittelbar vor den Laden. Als ich auf der breiten Allee Unter den Linden stehe, finde ich den Laden erst kaum. Weil sich die Nachmittagssonne in den Glasscheiben spiegelt, ist der Innenraum schwer erkennbar. Dazu ist der Laden dezent angeschrieben.
Als ich den Laden betrete, bin ich erstmals beeindruckt von der Grösse. Der gesamte Laden erstreckt sich auf 550 Quadratmeter. Das Interior besteht aus Sichtbeton, grau gespritzten Decken sowie Säulen aus Backstein, halb verputzt oder mit Schaumstoff oder Farbe versehen. Bei einigen Säulen sind auch noch historische Merkmale sichtbar, bei anderen wurden diese mit Industriematerialien überdeckt.
Immer wieder sind die gewollten Gegensätze und Brüche im Interior erkennbar: Raue und kühle Oberflächen mischen sich mit Patina und Heritage. Die Säulen und Wände sollen an die Geschichte des Gebäudes erinnern, während der eingearbeitete Edelstahl wieder ein zeitgenössisches Element bildet.
Dieser für Berlin typische, halbfertige Raum wird durch kühle Stahlregale- und- tische, auf denen Sneakers oder Bücher stehen, ergänzt. Die massangefertigten Möbel stammen vom Mailänder Design-Label NM3. Sie sollen ein neues Shoppingerlebnis erzeugen, welches klassische Luxusästhetik mit Industriematerialien verbindet. Wir haben über diesen Interior-Stil auch schon über den Saint-Laurent-Buchladen in Paris berichtet.
An den Decken führen Stahlröhren zur Belüftung entlang. Die starken Kontraste machen das aus, für was Highsnobiety steht: Edgy, nischig, aber trotzdem luxuriös – und für wahre Modekenner, die wissen, was morgen angesagt ist. Jedes Objekt im Shop ist von Highsnobiety-Chefeinkäufer Herbert Hofmann und Design-Direktorin Chloé Techoueyres akkurat ausgewählt.
Jedes Objekt ist kuratiert
Als Kontrast zu diesem brachialen Industrielook steht die bunte Produktauswahl im Laden. Neben neuen Designern gibt es auch Looks von Jil Sander, Marni, Maison Margiela oder auch von der Eigenmarke Highsnobiety. Neben Fashion gibt es Düfte, Brillen, Beauty-Produkte, Gadgets, Homewear, Bücher und Schreibwaren.
Entworfen hat den Laden das Berliner Innenarchitekturbüro Vaust. Die beiden Designer und Gründer, Joern Scheipers und David Kosock, haben schon mehrere Awards gewonnen und wurden als AD-100-Designer ausgewählt.
Eigentlich wollte ich mir bei meinem Besuch nur das Ladendesign anschauen, aber dann habe ich mir doch noch ein Shirt gekauft. Von der Eigenmarke von Highsnobiety. Anscheinend hat mich die Ästhetik zum Kauf verleitet, während ein paar Touristen eher etwas skeptisch vor den Regalen standen und sich fragten, weshalb ein Unterhemd 150 Euro kostet.
Für mich ist der Shop ein zukunftsweisender Meilenstein im Einzelhandel, der durch die grossen Ketten zunehmend konform und austauschbar wirkt. Dabei spielen das Erlebnis und die Einzigartigkeit eine immer grössere Rolle. Damit können Läden auch in Zukunft gegenüber dem Onlinehandel punkten.