Der Computer als Kreateur?

Künstliche Intelligenz im Möbeldesign

Im Oktober eröffnete die ETH Zürich ein neues Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Dieser Vorstoss zeigt die Relevanz der Technologie, die heute schon in vielen Bereichen unseres Lebens – wenn auch oft unbemerkt – Einfluss nimmt, sei es zum Beispiel im E-Commerce oder bei Anwendungen in der Spracherkennung. Doch welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz im Designbereich, kann der Computer in der Zukunft den Designer ersetzen?

Kartells K.I. Stuhl schwarz vor weissem Hintergrund von Philippe Starck.

Kartells «A.I.» von Philippe Starck.

Im industriellen Produktdesign findet Künstliche Intelligenz bereits vermehrt Anwendung, indem sie dabei hilft komplexe Produkte anpassungsfähig zu machen und Bauteile zu optimieren. Mit ihr lässt sich in relativ kurzer Zeit eine hohe Anzahl an Varianten generieren, um zum bestmöglichen Ergebnis zu gelangen. Im Vergleich zu herkömmlichen Entwurfs- und Entwicklungsprozessen bietet dies eine enorme Zeit- und Geldersparnis.

Im Automobildesign helfen Algorithmen beispielsweise bei der Erzeugung komplexer geometrischer Formen. So konnte Mercedes-Benz die aerodynamisch bestmögliche Ausführung für sein «Intelligent Aerodynamic Automobile» mittels dynamischer Modellierung generieren. Ein anderes Beispiel liefert der Flugzeughersteller Airbus, der mit Hilfe von generativem Design eine «bionische Trennwand» hergestellt hat, die um 45 Prozent leichter als das bisherige Bauteil ist.

Kartells «Louis Ghost» transparenter Stuhl von Philippe Starck.

Kartells «Louis Ghost» von Philippe Starck.

Im Möbeldesign befindet sich das Thema Künstliche Intelligenz noch in den Anfängen. Als erstes mittels Künstlicher Intelligenz industriell gefertigtes Möbel gilt der Stuhl «A.I.» (für Artificial Intelligence), den Architekt Philippe Starck für Kartell in Kooperation mit Autodesk entworfen hat. Starck selbst bezeichnete den Entwurfsprozess als Dialog mit dem Computer. Dies ist insofern passend, da auch Künstliche Intelligenz erst lernen muss. Der Computer braucht Vorgaben anhand derer er verschiedene Varianten errechnen kann. Informationen über Sitzfläche, Rückenlehne und Armauflage erhielt das Programm beispielsweise mittels Schlüsseldaten von Starcks Stuhlmodell Louis Ghost. Hinzu kamen Parameter wie Werkstoffart, Gewicht, Belastbarkeit und Kosten. Aus all diesen Vorgaben errechnet das Programm zahlreiche Varianten, die der Designer dann durch Justieren seiner Angaben verfeinern kann, bis das gewünschte Ergebnis erreicht ist.

Silberner futuristischer «Bone Chair» von Joris Laarman.

«Bone Chair», Joris Laarman, 2006.

Im Falle von «A.I.» ist es ein stabiler, leichter und bequemer Stuhl, der nur so viel Material verbraucht, wie unbedingt nötig. Zudem besteht er zu 100 Prozent aus recyceltem Kunststoff aus Produktionsabfällen. Künstliche Intelligenz ersetzt bei diesem Projekt nicht den Designer, sondern dient ihm als Werkzeug um das Optimum hinsichtlich Materialeffizienz, Nachhaltigkeit, Qualität und Bequemlichkeit zu erzielen. Das Design ist dabei aber nur so gut, wie die Kommunikation zwischen Mensch und Computer. Einen Ersatz für den Designer bietet der Computer nicht, denn es fehlen ihm Sensorik sowie ästhetisches Farb- und Formempfinden.

Vier Stühle aus Holz in einer Reihe von The Chair Project.

The Chair Project, Philipp Schmitt & Steffen Weiss, in Kooperation mit Mikkel Mikkelsen, 2019

Neben «A.I.» gibt es noch weitere experimentelle Möbelprojekte, für die Algorithmen zur Gestaltung genutzt wurden. Der niederländische Designer Joris Laarman entwarf beispielsweise einen Stuhl, dessen Form ebenfalls durch die Reduzierung von Gewicht und Material entstand. Bone Chair nennt sich sein Experiment von 2006, da der Algorithmus, ähnlich wie beim Knochenwachstum, nur dort Materie aufbaut, wo sie benötigt wird, um ein optimales Verhältnis zwischen Stärke und Gewicht zu erzeugen. Laarman sieht im Einsatz von Algorithmen aber nicht nur die Möglichkeit zur Optimierung eines Produkts, sondern auch das ästhetische Potential. Künstliche Intelligenz wird für ihn zum Formwerkzeug, das neue Möglichkeiten bietet, die über die bisherigen Grenzen der industriellen Produktion hinausreichen.

The Chair Project: Vom generierten Bild über die Skizze zum Prototyp.

The Chair Project: Vom generierten Bild über die Skizze zum Prototyp.

Mensch und Computer werden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz also zu Co-Kreateuren. Mit der Erforschung dieses kollaborativen Prozesses haben sich auch die beiden deutschen Designer Philipp Schmitt und Steffen Weiss befasst. Für ihr chair project fütterten sie einen Algorithmus mit mehreren hundert Bildern ikonischer Stühle des 20. Jahrhundert, um einen neuen Klassiker zu generieren. Die daraus generierten Bilder wurden von den Designern zunächst in Handskizzen und schliesslich in CAD-Modelle übersetzt, aus denen wiederum Prototypen entstanden. Die Serie umfasst vier handgefertigte Stühle, die noch immer an solche erinnern, jedoch teils nicht mehr die Funktion eines Stuhls erfüllen. Künstliche Intelligenz dient hier also nicht der maximalen Optimierung, sondern liefert dem Designer neue, unkonventionelle Anregungen für den kreativen Prozess.

 

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