«Mir ist Klarheit sehr wichtig»

Atelier: Klemens Schillinger

Klemens Schillinger im Atelier an der Hütteldorferstrasse in Wien

Im Atelier an der Hütteldorferstrasse, das sich Klemens Schillinger mit anderen Designern teilt, gibt es viele Möglichkeiten des Austauschs.

Die Hütteldorferstrasse 59 (HDS59) befindet sich im 15. Bezirk Wiens. Die Gegend liegt ausserhalb des Wiener Gürtels, aber doch nicht zu weit vom Zentrum. In einer ehemaligen Schmiede haben sich mehrere Designer ein gemeinsames Atelierhaus eingerichtet. Das Gebäude wurde in den 1920er-Jahren erstellt und letztes Jahr renoviert. Im Erdgeschoss gibt es einen grossen, L-förmigen Raum, wo gearbeitet wird oder auch Ausstellungen und Workshops stattfinden. Die Werkstatt teilen sich die Designer. Oben gibt es einige Büroplätze. Während der letzten Vienna Design Week fand ein grosses Einweihungsfest statt, an dem die versammelte Kreativszene Wiens zugegen war. HDS59 sei ein toller Arbeitsplatz, weil er nicht nur die Möglichkeit biete, sich Raum und Werkzeuge zu teilen, sondern sich auch über Projekte auszutauschen und auf verschiedene Erfahrungen zurückzugreifen, sagt Schillinger.

Klemens Schillinger arbeitet häufig in der Werkstatt

Klemens Schillinger arbeitet häufig in der Werkstatt, lässt aber auch viele handwerkliche Arbeiten von kleinen Wiener Manufakturen ausführen.

Raum im Erdgeschoss des Ateliers an der Hütteldorferstrasse

Der offene Raum im Erdgeschoss bietet genügend Platz für die Designer, die sich das Atelier teilen.

Wie kamst du zum Design? Was ist dein Werdegang?
Klemens Schillinger: Ich hab schon in der Schule am liebsten gezeichnet. Mit 17 wollte ich Grafik oder Kunst studieren. Ich bin dann auf den Studiengang Industrial Design an der Fachhochschule Graz gestossen. Am Tag der offenen Tür gefiel mir, dass alles sehr klein war. Es war wie an einer Schule mit einem fixen Stundenplan. Das war für mich  gut, ich war noch jung. Es war auch besser, als wenn ich daheim geblieben wäre.

Was hat dich dann nach London geführt?
KS: Nach dem Diplom habe ich bei meinem ersten Job gemerkt, dass das klassische Industriedesign nicht das Richtige für mich ist. Über einen Kollegen kam ich nach London und wurde am Royal College of Art (RCA) aufgenommen. Dort gab es einen starken Materialbezug und eine «Maker Culture», das gefiel mir. Nach dem Master fand ich eine Stelle im Büro der Londoner Designerin Faye Toogood.

Was war dort speziell?
KS: Toogood hat drei Studios in einem: Es gibt die Abteilung Möbel, das Interior Design und die Kleiderlinie. Viele Möbel werden speziell für Ladenlokale entwickelt. Auch dort hatte ich einen Bezug zum Machen selber, ich war viel mit Handwerkern in Kontakt. Diese Nähe zum einzelnen Projekt fand ich spannend.

Klemens Schillinger zeichnet

Am Anfang eines Projekts steht häufig eine Zeichnung.

Wann hast du begonnen, eigene Entwürfe zu machen?
KS: 2014, als ich noch in London war. Ich wurde zum Beispiel von Kvadrat angefragt, einen Entwurf für eine Ausstellung in Mailand einzureichen. Im selben Jahr konnte ich an der Design Parade der Villa Noailles mitmachen. Danach bin ich zurück nach Wien.

Wie war das für dich zu Beginn?
KS: Ich kannte viele Wiener Designer nur vom Hörensagen. Im Herbst 2014 habe ich bei der Vienna Design Week ausgestellt und dort viele Leute kennengelernt und mich neu vernetzt. 2016 nahm ich erstmals an einer Ausstellung von «Spazio Pulpo» teil, eine Wohnung im fünften Stock eines alten Wiener Hauses, in dem mehrere Designer gemeinsam Ausstellungen organisierten.

Eine Leuchte von Klemens Schillinger nimmt Formen an.

Eine Leuchte nimmt Formen an.

Wie gehst du vor beim Entwerfen? Deine Stücke stechen durch eine Reduktion auf das Wesentliche hervor.
KS: Ein gutes Beispiel dafür ist der Kleiderständer «Oneline», den ich noch in London entwarf. Er besteht aus einem einzigen gebogenen Rohr. Damals arbeitete ich gerade für ein Projekt mit Rohrbiegern zusammen. Ich wollte mit diesem Material etwas entwerfen, das möglichst günstig und simpel ist. Ich verkaufe es bis heute ganz gut. Auch das Thema Versenden beschäftigt mich. Das war auch beim Regal «Slot-Shelf» so.

Was zeichnet diesen Entwurf sonst noch aus?
KS: Er besitzt keine Kleinteile, die man verliert und ist einfach aufzubauen. Ich hatte mich davor mit japanischen Holzverbindungen auseinandergesetzt. Das ist allerdings nicht so schnell erlernbar. So ist da die Kreissäge zum Verbindungstool geworden. Man muss für diese kleinen Einschnitte kein Handwerker sein. Ich habe aber grossen Respekt vor Handwerk. In Wien arbeite ich häufig mit
einem kleinen Familienbetrieb zusammen.

Ich habe grossen Respekt vor Handwerk. In Wien arbeite ich häufig mit einem kleinen Familienbetrieb zusammen. 

Dich interessiert weniger die Komplexität als vielmehr die Reduktion.
KS: Ja, genau. Solche Themen stehen auch beim «Substitute Phone» und der «Offline Lamp» im Vordergrund. Es geht um das einfache Aushebeln der Nutzung von Geräten wie dem iPhone. Das Motto «aus den Augen aus dem Sinn» habe ich in eine Leuchte verpackt. Mir ist Klarheit sehr wichtig.

Du unterrichtest auch. Was gibst du deinen Studierenden weiter?
KS: Kürzlich gab ich ihnen den Auftrag, ein Produkt fünf Mal herzustellen. Sie konnten sich zwar aussuchen, was sie machen wollten, aber es musste fünf Mal das eine Produkt sein. Da kamen Kostenfaktoren ins Spiel. Herauszufinden, wie man mit den Ressourcen umgeht, ist ein guter Lernprozess.

Schillingers Entwürfe sind unaufgeregt und überraschend zugleich.

Einfachhiet als Prinzip: Schillingers Entwürfe sind unaufgeregt und überraschend zugleich.

Arbeitest du auch für Kunden und Hersteller?
KS: Ja, aber weniger. Ich habe für eine Wiener Kaffeerösterei Tassen entworfen, das wird jetzt zu einer Kollektion erweitert. Zwei meiner Entwürfe werden von Hem verlegt, einer schwedischen Firma.

Woran arbeitest du gerade? Was bringt die Zukunft?
KS: Ich entwerfe eine Leuchte für die Jahresausstellung im Schloss Hollenegg for Design. Sie wird nicht ans Stromnetz angeschlossen, sondern mit einer Kurbel aufgeladen. Ich würde gerne auch in Zukunft mit kleineren österreichischen Firmen zusammenarbeiten.

www.klemensschillinger.com

«Landmarks»: Die drei Tischobjekte aus gegossenem Beton wirken wie Miniaturen von architektonischen Archetypen. Ein Circus Maximus oder eine Maya Pyramide für zu Hause.

«Pac Table»: Der Tisch ähnelt einem Kuchenstück und kombiniert zwei gegensätzliche Materialien. Es entsteht ein Balanceakt zwischen dem schweren Granit und der dünnen Metallplatte.

«Slot-Shelf»: Die Herausforderung bestand darin, ein Regal zu entwerfen, das einfach zu verschicken und ohne Werkzeuge aufzustellen ist. Inspiration für den Entwurf bildeten japanische Holzverbindungen.

«Substitute Phone»: Die Form des Objekts basiert auf einem durchschnittlichen Smartphone. Seine Funktionen sind reduziert auf Bewegungen, die wir täglich Hunderte Male vollführen.

«Chanel Chair»:  Der Stuhl orientiert sich an Klassikern wie dem Frankfurter Stuhl oder dem Wiener Kaffeehausstuhl. Dabei werden Standardaluminiumprofile als Beine und Sperrholz als Sitzfläche und Rückenlehne verwendet.