«Der Tourist schläft im Stall, weil er will – der Bauer tat es, weil er musste.» Diese Aussage des Architekten Gion A. Caminada mag plakativ sein. Sie bringt seinen Umgang mit bestehender Bausubstanz jedoch auf den Punkt. Nostalgie und Romantik ist gemäss dem Architekten, der als Professor für Architektur und Entwurf an der ETH lehrt, nicht die richtige Antwort auf den strukturellen Wandel der Gesellschaft. «Die Bauern sind mit ihren Infrastrukturbauten an den Rand der Dörfer gezogen. Nun muss die leere Bausubstanz, die sie in den Dorfkernen hinterlassen haben, nutzungs- und werteneutral betrachtet werden. Es muss daraus etwas Neues, Zeitgemässes entstehen», meint Gion A. Caminada. Die Lieblingszimmer des Architekten in der neuen Casa Caminada sind denn auch nicht die Dachräume, in denen die offen sichtbare Balkenkonstruktion deutlich auf die Vorgeschichte des Baus als Stall verweist. Nein, seine Lieblingszimmer sind jene in den Gebäudeecken des ersten Obergeschosses in denen sich niemand in einer ehemaligen Scheune wähnt.
Total verfügt die Casa Caminada über zehn neue Doppel- und Familienzimmer. Das Ergeschoss wurde jedoch freigeräumt und beherbergt den Empfang, das Restaurant und eine Backstube samt Verkaufsfläche wo sich auch Aussenstehende und Einheimische ihr tägliches frisches Brot kaufen können. «Wir erhoffen uns dadurch eine Belebung der kleinsten Stadt der Welt, wie Fürstenau von uns auch genannt wird», meint Andreas Caminada. Auch die Karte des Restaurants setzt auf regional Bewährtes wie etwa Dörrbirnenravioli mit Nussbutter, Capuns, Maluns, Geflügel aus der Val Lumnezia oder eingemachtes Gemüse aus dem Schlossgarten. Alles auf hohem Niveau zubereitet und präsentiert. Das versteht sich von selbst.
Wie der Starkoch Andreas Caminada mit den Lebensmittel-Ingredienzen seiner Menus meisterlich umzugehen weiss, ebenso gekonnt setzt sein architektonischer Sparring-Partner Gion A. Caminada seine Materialwelt in Szene. Im Erdgeschoss treffen die alten als Stirnholzparkett versetzten Balken auf mit dünnen Latten verschalten, aubergine eingefärbten Betonsäulen, ein in virtuoser Handarbeit gefertigtes Messinggeländer auf Kalkputz und dieser wiederum auf geschliffenen Beton. Der Kamin im Entréebereich ist in Sichtbackstein gemauert und überdimensionale Backsteine bilden auch die Wände der Vorratskammer im Untergeschoss die auch als Ausbildungsstätte dient. Der Käsekeller hat Wände aus Lehmputz und die Schränke in den Zimmern wurden mit Knochenleim behandelt. Die Bäder sind mit glasierten Kacheln bestückt und für das Restaurant hat der Architekt eigens Tische aus Lindenholz entworfen. Wem dies zuviel des Guten ist, dem empfehle ich, die Casa Caminada zu besuchen. Ich garantiere Ihnen, dass ihre Hände über die unterschiedlichen Oberflächen streicheln werden, ihre Nase den Duft frischen Brotes einatmen wird und sie sich einfach nur wohl fühlen. Ja, die beiden Caminadas haben hier einen wahrhaft poetischen Ort geschaffen.