Die Zürcher Bahnhofstrasse gilt als eine der teuersten Shoppingmeilen der Welt. Bei der aktuellen Untersuchung des Beratungsunternehmen Cushman & Wakefield belegt sie mit Mieten von 9243 Euro pro Quadratmeter weltweit den siebten Rang der teuersten Einkaufsstrassen. An der Spitze steht die New Yorker Upper 5th Avenue. Die Mieten liegen dort bei rund 20’000 Euro pro Quadratmeter.
Kein Wunder, dass zahlreiche Luxuslabels an der Zürcher Bahnhofstrasse versammelt sind. Aber auch Brands wie H&M, Zara oder COS, und natürlich einige Uhrenläden, befinden sich an der illustren Adresse. Denkt man an die Zürcher Bahnhofstrasse, denkt man hingegen kaum an Secondhand und Nachhaltigkeit.
Doch mit dem Einzug von «Collectif mon Amour» und Reawake in die ehemalige BIG-Filiale bei der Querachse zur Uraniastrasse versammeln sich ein Secondhand-Shop und ein Fairtrade-Label in einem Gebäude.
Mit dem Nachhaltigkeitstrend mitziehen
Ganz neu wird es nicht - aber immerhin bekommt der Laden einen «frischen Anstrich». Wie schon BIG gehört auch «Collectif mon amour» zum Modissa-Konzern. Ähnlich wie jetzt das Nachhaltigkeits-Label war BIG vor vierzig Jahren im Trend. Modissa war damals zu uncool geworden für junge Frauen - weil dort eben auch die Mama shoppte.
So initiierte das Schweizer Traditionsmodehaus Modissa Anfang der Achtziger Jahre das frische Label BIG. Dort gab es dann angesagte Mode für junge Frauen zu kaufen. Lange bevor H&M und Zara an der Bahnhofstrasse Einzug hielten und «Fast Fashion» Mainstream wurde. Die BIG-Filiale mit dem ikonischen Schriftzug verschwindet nun aber aus dem Strassenbild der Bahnhofstrasse.
Der Standort wird diesen Donnerstag unter neuem Namen wiedereröffnet. Die Besitzerin Modissa bleibt gleich. Das erscheint logisch. Wie könnte sich ein junges nachhaltiges Label ohne potenten Investor im Rücken die horrenden Mieten an der Bahnhofstrasse leisten?
«Collectif mon Amour» ist die Eigenmarke von Modissa und seit 2017 am Markt. Sie war bereits im BIG-Shop erhältlich und hat dort in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. BIG nennt sie seine «Lieblingsmarke». Beflügelt wurde das Label durch das Konsument:innenbedürfnis nach nachhaltiger Mode. Deshalb tauscht Modissa BIG nun durch «Collectif mon amour» aus. Der Name soll bekannter werden und mit dem Nachhaltigkeits-Aspekt bei einer jüngeren Zielgruppe punkten.
Alt und neu wird gekonnt gemischt
Als nachhaltig werden auch Secondhand-Klamotten wahrgenommen. Zudem stillen sie den Drang nach Individualität, welche die jungen Konsument:innen anstreben. Deshalb kommt im ersten Stock das Label Reawake von Unternehmerin Rea Bill unter.
Das ehemalige Model verkaufte in bisher vier Shop-in-Shop-Konzepten Vintage-Stücke von Edelmarken wie Chanel, Hermes, Louis Vuitton, Cartier oder Gucci - und natürlich auch Handtaschen. Solche Secondhand-Teile faszinieren die gleiche Zielgruppe, die sich gerne auch nachhaltig gibt. Fast Fashion ist bei gewissen Konsument:innen nicht mehr gewünscht.
Gemeinsam gegen die Grossen
So eröffnen am 29. Februar an der Bahnhofstrasse 73 gleich zwei «Flagship-Stores» an prominenter Lage. Die beiden Shops agieren beim neuen Shop-Konzept im gleichen Haus, aber trotzdem eigenständig. «Collectif mon Amour» wird das Parterre bespielen, Reawake das Obergeschoss. Dabei wolle man den «Wandel im Konsumverhalten» in einem Haus vereinen, so der Ansatz der neuen Shops.
Reawake war in Zürich bisher im Jelmoli untergebracht. Wegen der Schliessung des Warenhauses Ende des Jahres brauchte Rea Bill auch ein neues Zuhause für ihren chicen Secondhand-Laden. Reawake wird nun auf rund 200 Quadratmetern eine «handverlesene Auswahl an «preloved» Taschen, Accessoires, Schuhe und Kleidung» verkaufen.
«Mit der Eröffnung des Secondhand-Stores an der Bahnhofstrasse setzen wir ein Zeichen, dass Fashion aus zweiter Hand in der Mitte der Gesellschaft ankommt», sagt Reawake-Gründerin Rea Bill. Das Konzept, zwei Läden zusammenzuschliessen, ist ein Versuch, im Schweizer Einzelhandel gemeinsam gegen das «Lädelisterben» vorzugehen. Dieses wird mit den grossen Fashion-Ketten an der Bahnhofstrasse vorangetrieben.
«Collectif mon amour» möchte seine Markenwerte auch visuell im Shop umsetzen. So werden Materialien eingesetzt, die Langlebigkeit ausstrahlen. Die von Hand aufbereiteten Holzstücke aus dem Toggenburg bilden die sogenannte «Signature-Wand» und sollen dem Raum Authentizität verleihen. Der Bodenbelag aus Naturkautschuk von Pirelli soll ebenfalls den Zeitgeist der Nachhaltigkeit repräsentieren.
Aktuelle Bilder des neuen Ladens von «Collectif mon amour» waren bis zur Eröffnung leider noch keine erhältlich. Grund genug, sich morgen selber einen Eindruck zu verschaffen.
Die Eröffnung der beiden Läden findet am Donnerstag, dem 29. Februar 2024, an der Bahnhofstrasse 73 statt. Mehr Informationen gibt es hier.