Furchtloses Kombinieren

Atelier: Yvonne Rogenmoser

Seit 2012 hat Yvonne Rogenmoser ihr Atelier im Basislager in Altstetten.

In den 135 Containern haben rund 200 Kunstschaffende, Handwerker*innen, Planer*innen, Kleinunternehmen oder Start-ups einen temporären Arbeitsort gefunden. Gepachtet wird die städtische Brachfläche von der SwissLife AG. Das Areal bietet bezahlbaren Raum für kreatives Arbeiten. Im sogenannten Basislager hat auch Yvonne Rogenmoser seit 2012 ihr Atelier. Der Container bietet genügend Raum für zwei grosse Tische, an einem arbeitet Yvonne am Computer oder zeichnet sie, am anderen formt sie ihre Keramikobjekte. Die ausgebildete Zimmerin studierte später an der ZHdK und entdeckte 2016 das Keramikhandwerk. Seither hat sie einen eigenständigen Weg der Recherche und Experimentation eingeschlagen. Ihre Objekte baut sie jeweils von Hand auf; die fertigen Stücke gleichen spielerischen Wimmelbildern, die zum Schmunzeln und Nachdenken anregen.

Für ihre Keramikobjekte benutzt Yvonne die Aufbautechnik von Hand.

Kannst etwas über deinen Werdegang erzählen?
Yvonne Rogenmoser:
Nach der Schule habe ich den Vorkurs besucht. Danach wusste ich nicht genau, was studieren und entschied mich für die Zimmermannslehre. Ich habe aber nach dem Abschluss nie auf dem Beruf gearbeitet. Es folgte eine Phase mit verschiedenen Jobs, bevor ich mich dann wieder dem Gestalterischen zuwandte. Mich faszinierte die Disziplin wissenschaftliche Illustration schon immer und ich bewarb mich für das Studium an der ZHdK, das ich dann 2012 abschloss. Seither arbeite ich selbständig als Illustratorin.

Was unterscheidet die wissenschaftliche Illustration von der freien Illustration?
YR: Es ging beim Studium vor allem um das Erlernen des Handwerks des Zeichnens. Die wissenschaftliche Illustration ist mehr eine Dienstleistung, bei der man ein bestimmtes Problem lösen muss.

In der Keramik von Yvonne Rogenmoser finden das Gestalten mit den Händen ...

... und das Zeichnen zusammen.

Und wie kamst du zur Keramik?
YR: Eigentlich zufällig. Aber ich habe schon immer gerne mit den Händen gestaltet. Das Material hat mir den Ärmel reingezogen: Man kann formal sehr intuitiv arbeiten und zusätzlich kann auch das Illustrative einfliessen. Meine Arbeitsweise hat viel mit Storytelling zu tun. Mich fasziniert daran auch, dass das Töpfern eine alte Kulturtechnik ist, die viele Bedeutungsschichten besitzt. Keramikobjekte waren schon immer auch Bildträger.

Du machst diese unterschiedlichen Schichten in deinen Objekten sichtbar. Das Archaische trifft bei dir zum Beispiel auf die Welt der Comics. Wie kommen diese unterschiedlichen Motive zusammen?
YR:
Das kommt wohl daher, dass ich mich für so viele Sachen interessiere. Ich kann mich schlecht entscheiden. Ich will häufig einfach alles in einem Stück haben. Ich versuche manchmal auch, etwas Schlichtes und Grafisches zu gestalten. Aber ich bin eher in dieser gemischten Welt zuhause. Ich habe mich mittlerweile damit versöhnt.

Du hast dir diese Technik ja selber beigebracht. Wie drückt sich das in deinen Stücken aus?
YR:
Manchmal beherrsche ich für meinen Geschmack das Handwerk schon fast zu gut. Ich mag eben auch dieses Schiefe an meinen Vasen. Ich benutze die Aufbautechnik von Hand, die Objekte haben dadurch eine ganz eigene Ausstrahlung. Ich kann damit jede Form bauen und bin so extrem frei in der Gestaltung. Jedes Stück ist ein Unikat.

 

Das Atelier zeigt die vielfältigen Inspirationen der ausgebildeten Illustratorin.

Eine Besonderheit deiner Stücke ist das Einbeziehen der Sprache. Wie kam es dazu?
YR: Ich habe recht schnell für meine «bleu et blanc» Serie auch die Rückseite der Teller oder Platten für kleine Zeichnungen benutzt. Es kann auch sein, dass die vordere Zeichnung auf der Rückseite weitergeht. Ich arbeite jeweils in Schritten. Zuerst male ich den Rand, dann fülle ich die Bilder ein. Beim Arbeiten kommen mir ganz spontan Dinge in den Sinn. Diese ersten Gedanken halte ich dann am Schluss hinten fest. Es sind häufig auch aktuelle Nachrichten, die ich so verarbeite.

Es gibt Gruppen von bestimmten Motiven, die wiederkehren. Kannst du dazu etwas sagen?
YR:
Der Roboter war schon relativ früh dabei, Pinguine oder Pferde kommen auch häufig vor. Oder die Figur des Micky Maus. Diese unterschiedlichen Elemente stehen für die technische Welt, die Natur und die Welt der Kunst oder das Künstliche überhaupt. Das entstand eher unbewusst, es kristallisierte sich langsam so heraus. Die Konstellationen ändern auch immer wieder.

Wie sind deine Arbeitsabläufe?
YR:
Ich arbeite sehr schnell und intuitiv. Etwas Planung braucht es natürlich schon, gerade beim Brennen der Stücke.

Du arbeitest nach wie vor auch als Illustratorin. Wie ist das Verhältnis dieser zwei Berufe?
YR:
Illustration ist mehr mein Brotjob. In der Keramik lebe ich meine künstlerische Seite aus.

«Ich kann mich für fast alles begeistern, deshalb kann auch fast alles zum Traumauftrag werden. Als passionierte Zugfahrerin fände ich es spannend, einen ganzen IC zu gestalten.»

Wie war oder ist die Pandemie für dich?
YR:
Die Illustrationsaufträge sind letztes Jahr zusammengebrochen. Ich habe mich mehr auf die Keramik fokussiert. So gesehen hatte diese Zäsur auch gute Seiten. Ich konnte mich weiterentwickeln. Ich experimentiere zurzeit viel mit Glasuren.

Gibt es noch andere Medien, die dich interessieren?
YR: Ja, Holz ist mit sehr nahe, da zeigt sich meine erste Ausbildung. Auch mit Stoff arbeite ich gerne. Ich mag alle sinnlichen Materialien. Für mich ist es wichtig, dass ich selber Hand anlegen kann. Das macht die Arbeit interessant.

Dein furchtloses Kombinieren finde ich bemerkenswert. Woher holst du deine Inspirationen?
YR:
Täglich prasseln so viele Dinge auf uns ein. Ich mag es, Alltagsthemen zu verarbeiten, bei denen Menschen ihre eigenen Assoziationen haben können.

Hast du einen Traumauftrag?
YR:
Ich kann mich für fast alles begeistern, deshalb kann auch fast alles zum Traumauftrag werden. Als passionierte Zugfahrerin fände ich es spannend, einen ganzen IC zu gestalten.

www.studio-rogenmoser.com

 

Ausstellung:

AM I YOUNG OR AM I OLD
Yvonne Rogenmoser 

17 & 18 Dezember, 2021
Karl, Kirchgasse 14, 8001 Zürich
11.00 - 19.00 Uhr
 
Die Ausstellung wird kuratiert von Giovanna Lisignoli von Second Nature Design Projects.