Wer sich ein Eigenheim bauen möchte, träumt meist auch von einem grosszügigen Garten. Dies hatte die Parzelle, welche die Bauherrschaft in ihrer Wunschgemeinde erwerben konnte, nicht zu bieten. An der östlichen Grundstücksgrenze verlaufen ein ruhiges Strässchen und ein kleiner Bach. Dahinter beginnt direkt eine Landwirtschaftszone. Durch das Geäst der alten Ahorn- und Eichenbäume drückt das satte Grün von Weideland und Wiesen. Von weiter weg scheint ein Bauernhof den neuen Hausbesitzer*innen zuzuwinken.
Wie lässt sich ein Gebäude in eine leichte Hanglage eingliedern und so platzieren und räumlich staffeln, dass möglichst viel Licht und Aussicht möglich werden und doch ein umfangreiches Raumprogramm untergebracht werden kann? Denn die fünfköpfige Familie wünschte sich nicht nur für jedes ihrer drei kleinen Kinder ein gleich grosses Zimmer. Nebst dem Elternschlafzimmer mit Bad und Ankleide sollten auch ein Fitnessraum und eine Sauna integriert werden. Da die Hauseigentümerin als Floristin Kurse gibt, wünschte sie sich zudem ein Atelier mit einem separaten Eingang.
Geschickt haben Endres Architekten das zweigeschossige Wohnhaus auf dem Grundstück platziert. Statt über einen grossen Garten verfügt der markante helle Sichtbetonbau mit seinen rahmenlosen raumhohen Fenstern zum Wald und weiten Reusstal hin über eine zusätzliche Aussenraumschicht: Die grosszügige gedeckte Terrasse erweitert sich gegen den hinteren Gebäudeteil zu einer lauschigen Loggia, die zum Wäldchen hin ausgerichtet ist. Fassadenelemente mit Betonlamellen rahmen die Aussicht zu mehreren Seiten hin und bilden zugleich eine visuelle Abgrenzung zur direkten Nachbarschaft. Der mediterrane Pool im Erdgeschoss ist ganz nahe an das Gebäude gerückt. Das darüber auskragende Obergeschoss bildet so auch hier einen geschützten Aussenbereich.
Das Obergeschoss kragt auf zwei Seiten hin Richtung Südosten aus, mit Blick über das Reusstal bis hin zu den Juraketten in der Ferne. Wie ein Panoramadeck sitzt so der Wohnraum auf dem Sockelgeschoss mit den Schlafzimmern. Die warme Helligkeit des Sichtbetons setzt sich im Wohngeschoss als raumbestimmendes Material in luftiger Materialität fort. Die Kücheninsel aus Keramik in Natursteinoptik sowie die Einbauten in dunklem Holz sprechen die gleiche skulpturale und elegante Sprache wie das Gebäude selbst, das trotz seines grossen Bauvolumens Leichtigkeit ausstrahlt.
Die architektonische Schlichtheit und formale Reduktion der Architektur war für die Bauherrschaft Neuland. «Der geschickte Umgang mit dem Grundstück, mit der tollen Aussicht und der Anordnung der Räume liess uns den Mut aufbringen, so zu bauen» so die Bauherrschaft. Damit dies auch im Interior Design gelang, hat die Bauherrschaft von Beginn an mit Delia Jehli, Projektmanagerin der Teo Jakob AG, zusammengearbeitet. Die Baupläne wurden mit Delia Jehli gemeinsam besprochen, um in enger Zusammenarbeit mit den Fachplanern ein Möbel-, Material- und Farbkonzept zu erarbeiten, das mit der Umgebung und gleichzeitig mit der hellen Materialisierung der Architektur korrespondiert und harmoniert.
«Der geschickte Umgang mit dem Grundstück und der tollen Aussicht liess uns den Mut aufbringen, so zu bauen.»
Die Bauherrschaft wünschte sich, dass die Möbel zugleich funktional, schön, zeitlos und langlebig sein sollten. Der Einrichtungsspezialist Teo Jakob erarbeitete deshalb ein Gesamtkonzept, damit eine Atmosphäre in das Haus einziehen konnte, die einerseits geeignet ist für das Familienleben mit drei kleinen Kindern und Wärme schafft, auf der anderen Seite aber auch die Einzigartigkeit der Architektur unterstreicht. «Es zeigte sich, dass die Bauherrschaft Mut zu dunklen, kräftigen Farben und unterschiedlichen Materia-lien bewies», so die Projektleiterin von Teo Jakob. «Bei dieser reduzierten Architektur, wie sie von Endres Architekten entworfen wurde, kann man nämlich durchaus Kontraste und dunkle Farben einbringen. Trotzdem wird es in den Räumen immer genügend Licht und Leichtigkeit haben.»
Ein grosser Eyecatcher ist das schimmernde, dunkelgrüne Sofa «Playtime» aus Samt von Wittmann. Es schafft eine eigentliche Ruheinsel im Raum und korrespondiert mit dem schattigen Grün des kleinen Wäldchens. Es ist zum Lieblingsstück der Bauherrschaft geworden: «Obwohl Samt nicht gerade die erste Textilwahl für eine Familie mit drei Kindern ist, fühlte sich dieser Entscheid für uns sofort absolut richtig an», so die Bauherrin. Je nach Materialwahl und Florhöhe ist Samt beziehungsweise Velours heute ein pflegeleichtes und langlebiges Gewebe. Das Dunkelgrün kommt auch in anderen Räumen zur Anwendung: in den Badezimmern, im Schlafzimmer der Eltern und auch bei den unterschiedlichen Tiermotiv-Tapeten, welche die Bauherrin für die drei Kinderzimmer ausgewählt hat.
Perfekt ergänzen sich zwischen dem Sofa und der Kücheninsel die weissen Plastic Armchairs von Ray und Charles Eames in Kombination mit dem Massivholztisch «Continuo» des Schweizer Herstellers Tossa. Die skulpturale, kontrastreiche Form des Tisches mit seiner markanten Bodentraverse ist in den grossformatigen Pendelleuchten von Marset aufgenommen. Diese sind – nicht wie man vermuten würde – aus Glas geblasen, sondern aus Kunststoff gegossen. Bei den ausgewählten Accessoires sieht man, dass hier jemand ein Gespür für mutige und zugleich harmonisch aufeinander abgestimmte Farbkombinationen besitzt. Es ist das ästhetische Auge der Floristin – ein Kunsthandwerk, bei dem genau dieses Know-how eine zentrale Rolle spielt.
Die gedeckten Aussensitzplätze und Loggien sowie der vorgelagerte Pool bieten der Familie und ihren Gästen zahlreiche geschützte Aufenthaltsräume im Freien. Hier sorgen farbenfrohe Outdoor-Möbel für ein mediterranes, fröhliches Flair. Gewählt wurden hier Outdoor-Möbel von Kettal in den Farben Rosa und Terracotta, als Kontrasttöne zum Grün der Natur. Und so fügt sich das Haus, das sich zwar kühn und selbstbewusst von der Umgebung abhebt, zugleich auch wieder sanft in die Natur ein. «Wenn wir uns im Obergeschoss aufhalten, ist es für uns fast ein bisschen so, als würden wir in einem Baumhaus wohnen», beschreibt die Bauherrin das besondere Wohngefühl. Es muss also nicht immer der Garten sein, der ein naturnahes Lebensgefühl vermittelt. Das Glück in diesem Fall aber war es, dass auf diesem Grundstück die alten Bäume schon lange vor dem Haus ihre Wurzeln in der Erde verankern konnten.
«Bei dieser reduzierten Architektur kann man durchaus dunkle Farben einbringen. Die Räume werden immer genügend Licht und Leichtigkeit haben.»
Nach dem Diplom an der ETH Zürich und der Mitarbeit in diversen Architekturbüros gründete Thomas Endres 1994 sein eigenes Büro in Baden im Kanton Aargau. Mit rund zehn Mitarbeitenden liegt das Hauptbetätigungsfeld des Büros bei individuellen Wohnbauten, grösseren Wohnüberbauungen sowie Umbauten von Wohnhäusern, Praxis- und Gewerberäumen. Zusammen mit seinem Team und unter der Leitung von Steffen Jesberger entwickelt das Büro individuelle und anspruchsvolle Bauten in unterschiedlichen Massstäben und ortsbaulichen Kontexten. Dabei stehen eine präzise und klare Architektursprache und die Reduktion auf das Wesentliche in Form, Farbgebung und Materialisierung im Vordergrund. Der gezielte Umgang mit Tageslicht und die konsequente Umsetzung einer Raumkontinuität von innen nach aussen sind wesentliche Merkmale aller Entwürfe. Konstruktiv hat sich das Büro über die Jahre auf die Sichtbetonbauweise spezialisiert und entwickelt diese stetig weiter.
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