Nach meiner Lehre als diplomierter Landschaftsgärtner wollte ich mich in Sachen Gartengestaltung im Ausland weiterbilden», erzählt Hanspeter Lüscher, Gartenbaumeister und Bauherr des hier vorgestellten Wohnhauses. «Dafür kommen weltweit eigentlich nur zwei Länder in Frage: Grossbritannien oder Japan.» Hanspeter Lüscher entschied sich für das Land der aufgehenden Sonne. Die Geschichte des japanischen Gartens geht Jahrtausende zurück. Er ist Ausdruck der japanischen Philosophie und Harmonielehre. Japanische Gärten sind bis ins Detail geplant. Neben dem theoretischen Wissen über ihre Gestaltung und die verwendeten Handwerkstechniken muss sich der Errichter des Gartens vor allem in den gegebenen Ort einfühlen, damit der Garten mit der Umgebung eins wird. Die Gärten sind so angelegt, dass ihre Besucher zahlreiche Entdeckungen machen können. So führt häufig ein Wechsel der Perspektive auf den Garten zu einem ganz anderen Eindruck der Anlage, was durch eine asymmetrische, dezentrale Anordnung erreicht wird. Ein besonderes Stilmittel sind auch unebene Wege, um die Besucher*innen langsam und bewusst durch den Garten gehen zu lassen.
Dieses Stilmittel wird auch bei der Gartenanlage um das Haus der Familie Lüscher angewendet. Die Besucher werden zunächst über einen geschlungenen Steinplattenweg um einen Teich herum geführt, bevor eine minim gewölbte Brücke die Ankunft zelebriert. Ein bisschen fühlt man sich wie Alice im Wunderland, denn die Gartenanlage mit dazugehörendem Haus steht mitten in Zürich Albisrieden, umgeben von einer typischen, klein parzellierten Einfamilienhaussiedlung aus den 1960er-Jahren. Für die Realisierung des japanischen Traums wurden zwei hintereinander liegende Parzellen zusammengeführt. Die beiden Grundstücke waren je mit einem quartiertypischen eingeschossigen Einfamilienhaus bebaut. Heute steht an ihrer Stelle ein dreigeschossiger Hauptwohnbau in der hinteren, hangseitigen Quartierreihe und ein Pavillon in der unteren Reihe. Zur Verbindung der Baukörper – Wohnhaus, Pavillon und unterirdische Autoeinstellhalle – wurde ein Eingangsbau mit Treppenhaus als Zentrum realisiert.
Hier empfängt uns Hanspeter Lüscher und führt uns einige Treppenstufen hinunter in das Hauptwohngeschoss des Hauses. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Elemente des Gartenbaus fügen sich hier in den Innenausbau. Zwei grosse Atrien bringen Licht in die schon fast unterirdisch anmutende Raumfolge von Eingangsbereich, Küche, Ess- und Wohnraum, die u-förmig um den Innenhof angelegt ist. Abgeschlossen wird die Raumfolge von einem typisch japanisch ausgestatteten Badbereich mit Tauchbecken und Waschplatz. Hier ist man umhüllt vom Garten, denn durch die Neigung des Geländes hinab zur grosszügig geöffneten Fassade schweift der Blick nicht in die Ferne, sondern wird immer wieder auf die Gartenanlage fokussiert. Dadurch stellt sich eine grosse Intimität ein.
«Ein eigenes Haus vom ersten Moment an mitzugestalten und auch während der gesamten Bauzeit Einfluss nehmen zu können, war schon längere Zeit ein Traum von meiner Frau und mir», erzählt Hanspeter Lüscher. «Dass dabei der Garten der Mittelpunkt sein und die Umgebung optisch und physisch ins Hausinnere fliessen soll, war für uns der Planungsausgangspunkt und lag aufgrund des beruflichen Hintergrundes natürlich auf der Hand.» Seine Frau Hiroe hat Hanspeter Lüscher nämlich in seinen Lehr- und Wanderjahren in Japan kennen und lieben gelernt. Sie absolvierte damals im selben Betrieb wie er ein Praktikum als Landschaftsbauzeichnerin.
Nebst dem Bezug zu Japan, der überall und in vielen Details sichtbar wird, lag Hiroe und Hanspeter Lüscher viel daran, im Haus möglichst wenige, natürliche und unveränderte Materialien zu verwenden. Naturstein, Holz, Sichtbeton und Kupfer prägen den Innenausbau wie die Verkleidung der Fassade. Für die Fassade des Haupthauses wurde eine nach dem Shou-Sugi-Ban-Prinzip vorverbrannte Akazien-Holzschalung verwendet. «Dass das Verwenden von solch rohen Materialien wenig Fehler verzeiht und es viel handwerkliches Geschick und Erfahrung erfordert, diese Materialien sorgfältig zu verbauen, war uns von Anfang an bewusst. Diese Anforderung stand bei der Auswahl der verschiedenen Handwerker deshalb auch immer an erster Stelle», erläutert Hanspeter Lüscher. «Während der gesamten Bauzeit hat uns die Zusammenarbeit und das gemeinsame Finden von funktionalen und gestalteten Lösungen mit allen Beteiligten viel Spass gemacht. Zu sehen, wie das Haus täglich wächst, war für unsere ganze Familie mit den Kindern ein einmaliges Erlebnis.»
Apropos Kinder: Zu meinem Besuch bei Familie Lüscher im letzten Sommer nahm ich auch meinen achtjährigen Sohn mit. Er schwärmt und erzählt noch heute von dem Haus. Wahrscheinlich hat er intuitiv die besondere Harmonie und Stimmigkeit des Anwesens gespürt. Wir waren beide irgendwie entrückt und absolut entzückt.