Mit dem Projekt «Pimp My Chair» findet der Zürcher Designer einen raffinierten Ansatz, um Vitraklassiker, wie etwa den Eames Armchair, zu personalisieren und den heutigen Bedürfnissen anzupassen. Das Projekt ist im Gespräch mit Vitra für das VitraHaus entstanden und umfasst drei Produkte, die die Designstühle nicht nur aufwerten, sondern ihnen auch neue Berührungspunkte in unserem modernen Alltag ermöglichen: Den Seitentisch «Cliptray» für den Eames Armchair, das USB-Kabel «Magneto», das sich magnetisch am Stuhlbein des Vitra Prouvé Standard befestigen lässt, sowie «Ghost», ein waschbarer Stuhlüberwurf aus Baumwolle passend auf den Vitra Panton Junior, der aber auch von Kindern bemalt werden kann. Demnächst wird die Kollektion zudem um weitere Stuhlklassiker erweitert. Konzeptionell wie auch gestalterisch steht eine spielerische Leichtigkeit im Fokus, die bei den meisten Produkten von Tobias Brunner zu finden ist – und auch diesmal überzeugt, denn «Pimp My Chair» war für den Swiss Design Award 2023 nominiert.
Du hast in New York, Paris, LA und Hongkong gelebt und gearbeitet, wie hat dich das geprägt?
Tobias Brunner: In Asien bin ich vielen Leuten mit einer positiven Can-Do-Attitude begegnet. Das setzt viel Imagination frei, denn Leute sind bereit, einer Idee eine Chance zu geben. In New York habe ich eine ähnliche Erfahrung gemacht, die Menschen wirken durchaus optimistischer und setzen Dinge sehr schnell um. Den Austausch mit anderen Kulturen inspiriert mich und lehrt mich immer wieder Empathie und Offenheit.
In Hongkong hast du auch unterrichtet, wie war da die Zeit für dich?
TB: Die Zeit, die ich am Hong Kong Design Institute Unterricht habe, war eine einzigartige Erfahrung, in der ich gelernt habe, Sprachbarrieren durch visuelle Kommunikation mit Prototypen und Modellen zu überwinden. Allgemein war meine Zeit in Hongkong ein grosses Abendteuer. Die Stadt war wie ein grosser Baumarkt und Werkstatt in einem, man fand immer einen geeigneten Handwerker und jedes Material, um Ideen zu testen. Wenn sich nicht so viel verändert hätte, würde ich mir nochmals überlegen, für eine Weile dort hinzugehen.
Nun haben sich auch hier Projekte ergeben, wie kam es zur Zusammenarbeit mit Vitra?
TB: Als Connie Hüsser damit beauftragt wurde, das VitraHaus gemeinsam mit Till Weber neu zu gestalten, haben Connie Hüsser und ich uns zum Lunch getroffen und kamen ins Gespräch, wie man Vitraklassiker mit Accessoires erweitern könnte. Die Idee, einen modernen Dialog mit Design-Ikonen zu gestalten, fand ich sehr spannend. So habe ich während sechs Monaten verschiedene Ideen entwickelt, die ich dann Rolf Fehlbaum präsentieren durfte. Schliesslich haben wir uns für drei Accessoires entschieden, die ich in während einem Jahr in Eigenregie entwickelte und produzierte.
Was macht für dich Vitra aus?
TB: Was ich an Vitra schätze, ist, dass Vitra nicht nur ein Möbelhersteller ist, sondern als eine der führenden Design Institutionen seit Jahrzehnten gilt. Der wichtigste Aspekt der Marke ist in meinen Augen aber, wie sie die Designgeschichte und Klassiker pflegen und kultivieren. Das ist aussergewöhnlich und das macht Vitra für mich einzigartig.
Mit diesem Projekt hast du eine Brücke zwischen Designklassikern und modernem Design geschlagen, was faszinierte dich daran?
TB: Mich interessierte, was einen Designklassiker ausmacht und warum gewisse Möbel heute noch so beliebt sind. Mir scheint, dass ein Klassiker über verschiedene Zeiten seine Relevanz bewiesen hat, auch wenn sein Potenzial zum Klassiker zu seiner Zeit vielleicht nicht vorhersehbar war. Dann war es mir wichtig, den Dialog zu suchen und die Frage zu stellen, wie wir ein Möbelstück heute personalisierter oder relevanter gestalten können. Das Spannende an diesem Projekt ist, dass man keine neuen Stühle entwerfen muss, die diese Features haben, sondern dass die Stühle in ihrer Essenz bestehen bleiben und einfach ein Add-on auf Zeit bekommen.
«Was mich an gutem Schweizer Design fasziniert, ist, dass viele Designer konzeptionell gearbeitet haben.»
Woher kommt der Titel «Pimp My Chair»?
TB: Der Begriff «Pimp» kommt davon, dass wir an den Stühlen selbst nichts verändern, aber sie aufwerten. Das Accessoire ist nie permanent gedacht, sondern es dient dazu, den Stuhl so zu adaptieren, wie es den persönlichen Bedürfnissen entspricht oder wie es für den aktuellen Moment sinnvoll ist.
Welche Materialien habt ihr für die Produkte ausgewählt?
TB: Der «Cliptray» ist aus recyclebarem Kunststoff, das Material war durch den Clipeffekt vorgegeben. «Magneto» ist aus Aluminium, kombiniert mit einem resistenten Baustellenkabel, das extrem widerstandsfähig ist. «Ghost» ist aus 100% natürlicher Baumwolle. Der Stoff ist waschbar, denn Kinder sollen darauf malen können.
Was ist die Aufgabe von Design?
TB: Design kann nicht die Welt retten, das ist klar. Aber ich denke, Design kann einen Dialog schaffen und zu neuen Denkweisen anregen. Was wir heute mehr als alles andere brauchen, sind gute Dialoge, deshalb sind Dialoge ein zentraler Punkt meiner Arbeit. Design kann zudem Lösungen aufzeigen, wie wir mit den heutigen Herausforderungen umgehen können. In diesem Sinn kann Design einen relevanten Beitrag zu einer neuen Kultur leisten. Einer Kultur des Dialogs, einer Kultur des Bewussten Umgangs mit Ressourcen.
Bist du ein typischer Schweizer Designer?
TB: Was mich an gutem Schweizer Design immer fasziniert hat, ist, dass viele Designer wie zum Beispiel Max Bill oder Trix und Robert Haussmann vorwiegend konzeptionell gearbeitet haben, gewagt haben die Moderne kritisch zu hinterfragen und neue Wege einzuschlagen. Zudem haben Schweizer Designer mit den Materialien gearbeitet, die lokal erhältlich waren und lokal verarbeitet wurden. Lokale Produktion und Wertschöpfung haben heute mehr denn je eine grosse Bedeutung. Mit meiner Arbeit versuche ich, an dieser immer nicht relevanten Tradition anzuknüpfen.