Die Musik-Architektin

Zoë Burnard

Porträtbild von Zoë Burnard die mit verschränkten Armen und einem schwarzen Tanktop vor einer petrolfarbenen Wand steht und in der Hand einen schwarzen Kopfhörer trägt.

Musik-Architektin Zoë Burnard lässt Architektur und Klang zu einem Kunstwerk verschmelzen.

Sie sind Cellistin, DJane und Musik-Architektin, Musik spielt in Ihrem Leben eine grosse Rolle – können Sie sich noch erinnern, wann Ihre erste emotionale Erfahrung mit Musik war?
Zoë Burnard:
Bei uns Zuhause lief immer Musik. Das erste Stück an das ich mich erinnern kann, war, «O Fortuna» von Carl Orff. Ein richtig schweres, kräftiges Klassikstück, das meine Mutter immer gespielt hat, als ich klein war. Mich haben aber auch die Alben von Fleetwood Mac durch die Kindheit begleitet, diese höre ich heute noch gerne, wenn ich zum Beispiel am Putzen bin. Und das Lied «Queen of the Night» aus der Oper «Die Zauberflöte». Es sind alles starke Stücke, ich glaube, die Erinnerung ist deshalb auch so stark.  

Bei The Music Architect geht es um Musik-Marketing, was kann man sich darunter vorstellen?
ZB: Es ist ein Begriff, den ich selbst kreiert habe. Mein persönlicher Background liegt in der Musik und mein beruflicher im Marketing, mit Musik-Marketing konnte ich beide Bereiche kombinieren. Meine Überlegung war, wie ich Musik als Tool für Brands verwenden kann. Musik ist allgegenwärtig und das Zielpublikum kommt überall mit Musik in Berührung, darin sah ich ein grosses Potenzial. Heute arbeite ich mit Brands zusammen und überlege mir, wie Musik in die Strategie eingebunden werden kann bzw. ob es bereits Verbindungspunkte zwischen der Marke und Musik gibt. Wenn ja, ist die Frage, wie können wir das verstärken, um ein Rundumerlebnis von 360 Grad zu erzielen.

Lässt sich Musik auf ein bestimmtes Interieur abstimmen? Welche Rolle spielen dabei Möbel oder Materialien?
ZB: Natürlich. Als erstes muss man schauen, ob ein Raum für ein ideales Klangerlebnis konzipiert und ausgestattet wurde. Das kann man daran erkennen, ob Akustikpanels vorhanden sind oder nicht. Wenn das nicht der Fall ist, müssen andere Merkmale beachtet werden, die mit der Akustik spielen, wie etwa nicht reflektierende Wände, Stoffmaterialien oder schräge Wände und asymmetrische Räume.

Ein gelungenes Beispiel von Musik-Marketing zeigt etwa die Lobby im The Dolder Grand.

Auch in der Bar.. 

... sowie im Restaurant Saltz kommt es zu einer natürlichen Symbiose aus Architektur, Design und Klangkulisse.

Was ist ein schlechter Raum für die Akustik?
ZB: Industrielle Lofts oder allgemein hohe Räume. Die sind zwar toll zum Anschauen aber für die Akustik schlecht.

Geht der Akustikaspekt bei der Raumgestaltung oftmals vergessen?
ZB: Wenn man ein Auditorium konzipiert, hat die Akustik natürlich oberste Priorität, aber wenn es sich um ein Restaurant handelt, geht die Akustik auch gerne mal vergessen. Auch in Zürich gibt es sehr gute Lokale, die zu spät an die Akustik gedacht haben und im nachhinein Akustikpanels einbauen mussten.

Sind Sie bei Projekten von Anfang an dabei?
ZB: Nein, meistens nicht, aber es wäre sicherlich von Vorteil. Ich hatte einmal einen Kunden, bei dem der Architekt aus ästhetischen Gründen alle Speaker unter einem Holzbalken unter der Decke versteckt hat. Das sah schön aus, aber der Sound war dadurch stumpf. Leider befolgen die meisten das Prinzip «Style before Function». 

Was passiert bei den Menschen, die sich an einem Ort aufhalten, wo markengerechte Musik läuft?
ZB: Wenn die Musik stimmt, merken es Konsumenten meistens nicht, läuft hingegen unpassende Musik, kann es vorkommen, dass Kunden das Geschäft gleich wieder verlassen, weil es sich nicht stimmig anfühlt. Man muss erst definieren, was die DNA des Brands ist und was die Key Values sind. Studien belegen, dass es besser ist, keine Musik zu spielen, als nicht brandrelevante. Wenn man es richtig macht, unterstützt markengerechte Musik die Verbindung zum Brand – oder das Gegenteil passiert.   

Wo liegt das Problem?
ZB: Musik wird oft dem Zufall überlassen, wer am Arbeiten ist, wählt die Musik aus, aber die Musikwahl sollte Teil des Managements sein. Laut Spotify gibt es 5500 Genres, es ist ein zu komplexes Universum, um die Wahl dem Zufall zu überlassen.

Rustikales aber dennoch modernes Ambiente des La Muna Restaurants im Dachstock im Eden auf Lac Hotel in Zürich.
Auf ein harmonisches Zusammenspiel zwischen Design und Musik legt ebenfalls das Restaurant «La Muña» im La Réserve Eden au Lac grossen Wert.

Können Sie ein Beispiel geben, was Musik mit Besuchern einer Kunstgalerie macht?
ZB: Die Frage ist immer, was will man mit der Musik bewirken. Cool ist, wenn man die Künstler einbeziehen kann und zusammen eine Intention definiert, wie sich die Besucher fühlen bzw. was die Kunst auslösen soll. So kann man die Kunst musikalisch übersetzen.

Kann Musik das Konsumverhalten beeinflussen?
ZB: Ja, würde man die Musik von Tally Weijl und Louis Vuitton vertauschen, gäbe es ein Chaos. Im einen Laden würden die Kunden einschlafen und im anderen würden sie wieder hinauslaufen. Ein anderes Beispiel ist in einem Restaurant. Der Montag ist meistens der ruhigste Abend der Woche, da wird die Intention verfolgt, dass die Gäste länger bleiben und länger konsumieren sollen. An einem Freitag hingegen will man den Tisch zweimal verkaufen und das kann man mit Musik wunderbar beeinflussen.

Wie sieht das aus?
ZB: Am Montagabend spielt man einen ruhigeren Soundteppich, der zum Verweilen einlädt, am Freitag hingegen wird ein viel chaotischer Soundteppich gespielt, um die Gäste zum Trinken und Essen zu animieren.

Gibt es Räume, Events oder Situationen, wo Sie Musik nicht empfehlen würden bzw. wo Musik kontraproduktiv ist?
ZB: Ich bin grundsätzlich pro Musik, aber bei Co-Working Spaces oder Arbeitsplätzen bin ich mir nicht sicher. Ich habe selbst verschiedene Co-Working-Spaces ausprobiert und fand Musik immer irritierend.

Welchen Unternehmen würden Sie eine authentische Musikauswahl empfehlen?
ZB: Nicht jeder Brand braucht Musik, bei B2B-Unternehmen ist Musik weniger relevant, aber bei B2C hat man viele Möglichkeiten und Vorteile.

Wo wird Musik total unterschätzt?
ZB: In Kliniken und Spitälern, ich denke an solchen Orten wäre stimmige Musik nötig – allgemein an Plätzen, wo man Leute beruhigen kann.

Neustes Projekt von Zoë Burnard ist das NZZ Restaurant am Bellevue in Zürich.

Projektionen von Projektil werden von der passenden Klangkulisse umrahmt.

«Wir sind damals stundenlang im Café gesessen und liessen alles auf uns wirken, bevor wir eine passende Soundkulisse kreiert haben», erzählt Zoë Burnard.

Können Sie uns von einem Projekt erzählen, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist und wieso?
ZB: Wir haben ein Projekt im Café NZZ am Bellevue in Zürich gemeinsam mit Projektil umgesetzt. Projektil hat Projektionen auf die Wände projiziert und wir durften die passende Klangkulisse liefern. Die Herausforderung lag darin, dass die Projektionen stetig wechseln, die Räume eher dunkel sind und es sogar einen eigenen Raumduft gibt. Wir sind damals stundenlang im Café gesessen und liessen alles auf uns wirken, bevor wir eine passende Soundkulisse kreiert haben. Solche kreativen Projekte machen einfach Spass.

Wenn wir einen Blick in die Zukunft werfen, welches Potential hat Musik-Marketing?
ZB: Zukünftig wird vieles noch mehr automatisiert sein. Könnte man heute bereits alle Bluetoothempfänger orten, wüsste man immer, wie viele Leute sich gerade in einem Lokal befinden und könnte dementsprechend die Lautstärke anpassen. Mit mehr Daten zu den Nutzern kann man auch automatisch publikumsgerechte Musik abspielen. Aber das ist die Zukunft, soweit sind wir noch lange nicht.

Sie sind fast immer von Musik umgeben, wann brauchen oder suchen Sie die Stille?
ZB: Ausserhalb der Arbeit. Früher hörte ich ständig Musik, aber seit ich diese Arbeit mache und täglich mehrere Stunden mit Musik konfrontiert bin, brauche ich das nicht mehr. Oftmals gehe ich ins Fitness und nehme keine Kopfhörer mit, weil ich meine Ruhe haben will.

www.themusicarchitect.com