«Ich sehe mich als Kunsthandwerker und Unternehmer»

Atelier: Matteo Gonet

Designer Matteo Gonet

Matteo Gonet ist ausgebildeter Glasmacher und zählt zu den Meistern seines Fachs.

Es wird an allen Ecken gearbeitet in der Halle von Glassworks – und zwar rund um die Uhr. Wie bei Glasmanufakturen üblich, gibt es auch hier in Münchenstein den sogenannten Hot-Shop, wo das Glas geschmolzen und geformt, und den Cold-Shop, wo es weiterverarbeitet wird. Überall stehen abenteuerliche Objekte herum. Ihre Gemeinsamkeit: All diese Stücke bestehen aus Glas, auch wenn man das einigen zunächst gar nicht ansieht. Matteo Gonet ist ausgebildeter Glasmacher und zählt zu den Meistern seines Fachs; in der Schweiz ist dieser Beruf am Verschwinden. Schon früh arbeitete der bald 40-Jährige mit Kreativen aus unterschiedlichen Disziplinen zusammen: Architekten, Designern und Künstlern. Auf der Liste seiner Kunden stehen international tätige Künstler wie etwa Philippe Parreno, Valentin Carron, Sarah Morris oder Jean-­Michel Othoniel, Innenrchitekten wie Pierre Yovanovitch oder Designer wie Mathieu ­Lehanneur und die Brüder Bouroullec. Die Grös­se und die Menge der zu realisierenden Aufträge bedürfen einer genauen Koordination. Deswegen legt er selbst nur noch selten Hand an. Auch eine Firma am Laufen zu halten, sei eine kreative Arbeit, findet Matteo Gonet.

Glaschmelzofen in der Werkstatt von Matteo Gonet

Der Ofen, in dem das Glas ­geschmolzen wird, ist rund um die Uhr in Betrieb.

Matteo Gonet Glaskreationen für Kunden aus aller Welt

Auf Schritt und Tritt begegnet man in der Manufaktur Erzeugnissen für Kunden aus aller Welt.

Wie kamst du zum Glas?
Matteo Gonet: Ich begann sehr jung mit der Ausbildung. Ich besuchte damals ein katholisches Internat in Lausanne und hörte mit der Schule auf, um ein handwerkliches Metier zu erlernen. Ausgelöst wurde dieser Wunsch durch den frühen Tod meines Vaters, dem Handwerk viel bedeutete. Ich wollte weg von hier, aber das Reisen an sich reizte mich auch. Diese Zeit prägte mich.

Wie verlief die Ausbildung?
MG: Die Ausbildung dauerte etwa zehn Jahre. Ich hatte viele gute Lehrer, die meinen Werdegang beeinflusst haben. Besonders wichtig waren für mich Etappen in England, in Amsterdam und in Marseille. Im Cirva (Centre international de recherche sur le verre et les arts plastiques) in Marseille war ich auch nach der Ausbildung tätig und habe dort schon früh mit bekannten Künstlern und ­Designern zusammengearbeitet. Dort sind viele Kontakte zu Kunden entstanden, die bis heute andauern.

Wie ging es weiter?
MG: Ich habe mich gleich nach der ­Ausbildung selbstständig gemacht und meine Firma gegründet. In die Schweiz bin ich dann wegen der Liebe zurückgekehrt. Von Lausanne ging es nach Bern und dann nach Basel. Zuerst hatte ich mein Atelier in der Halle des «Kunstbetriebs» in Münchenstein, vor zwei Jahren bin ich dann hierher gezogen.

Glasbläser arbeiten zu zweit an einem Stück.

Meistens arbeiten die Glasbläser zu zweit an einem Stück. Dabei sind geübte Handgriffe gefragt.

Du arbeitest mit Designern, Künstlern und ­Architekten zusammen. Wo liegen für dich die Unterschiede?
MG: Die Disziplin ändert für mich gar nichts, es sind für mich Kulturschaffende. Die meisten von ihnen arbeiten auch in verschiedenen Bereichen. Das ist nichts Neues.


Wie würdest du deine Tätigkeit bezeichnen?
MG: Ich sehe mich als Kunsthandwerker französischer Prägung. Dieses Berufsbild ist in Frankreich bedeutsamer als in der Schweiz. Es ist kaum erstaunlich, dass vier meiner Hauptkunden aus Frankreich stammen. Meine Arbeitskultur ist eindeutig französisch.

Ich sehe mich als Kunsthandwerker französischer Prägung. Dieses Berufsbild ist in Frankreich bedeutsamer als in der Schweiz. 

Hängt dies mit der wichtigen Rolle der «Arts décoratifs» in Frankreich zusammen?
MG: Ja, es gibt dort weniger Trennung zwischen den unterschiedlichen gestalte­rischen Disziplinen. Vor allem der Begriff «artisan d’art» versinnbildlicht für mich die offene Geisteshaltung und das unternehmerische Konzept, in der ich meine Arbeit ansiedle. Exzellenz ist kein Thema, es ist schlicht eine Verpflichtung. Wir bewegen uns schliesslich im Luxussegment.

Was ist deine Funktion im Atelier?
MG: Ich sehe mich in erster Linie als Unternehmer, nicht als Handwerker. Glassworks ist eine Produktionsfirma, wir sind viele und stellen viel her, aber auf höchstem Niveau. Ich mag im Atelier den Austausch mit Menschen, die auf etwas spezialisiert sind.

Beim Regal mit den farbigen Glasstäben stellt sich die Assoziation zu Zucker ein

Wie definierst du Handwerk?
MG: Es geht für mich nicht primär um das Beherrschen einer Technik, also um reine Wiederholung, sondern um den Aspekt des Erforschens. Das zeichnet für mich Handwerk aus. Ein Handwerker muss ja teilweise seine Werkzeuge selber herstellen. Die Kreativität der Handwerker zeigt sich nicht auf den ersten Blick, aber wir sind eigentlich von morgens bis abends kreativ.

Das Besondere an deiner Arbeit ist, dass jeweils der Kunde im Vordergrund steht. Wie ist das für dich?
MG: Das ist für mich normal, ich bin stolz darauf, dass die Arbeiten von Glassworks auf der ganzen Welt gezeigt werden. Aber wenige wissen, wo die Sachen hergestellt werden.

Die Kreativität der Handwerker zeigt sich nicht auf den ersten Blick, aber wir sind eigentlich von morgens bis abends kreativ. 

 

Du hast ja mittlerweile 15 Angestellte. Welche Herausforderungen bringt das Wachsen des ­Betriebs?
MG: Wir sind ein mittelgrosser Betrieb. Ich muss mich mit unternehmerischen Aspekten und Problemen befassen. Das verlangt auch nach kreativen Lösungen. Ich bin weniger oft vor dem Ofen, aber ich habe sehr viel zu tun. Ich finde diese Arbeit auch sehr aufregend.

Was waren wichtige Etappen für Glassworks?
MG: Verschiedene Grossprojekte: Zum Beispiel war der Brunnen von Jean-Michel Othoniel beim Schloss von Versailles ein Meilenstein. Auch ein Kunst-am-Bau-Projekt von Sarah Morris für eine Metrostation in New York war wichtig, wir sind seither «official suppliers» von MTA (Metropolitan Transportation Authority). Das war ein gros­ses Abenteuer, menschlich und logistisch. Und wir haben für ein riesiges Glasdach von Fabrice Hyber eine spezielle Technik ent­wickelt. Für Miller Maranta haben wir ein Glasmosaik für den Spa des Hotel Waldhaus in Sils Maria gemacht.

Matteo Gonets Unternehmen Glassworks realisiert vor allem grössere Aufträge.

Mittlerweile realisiert Gonets Unternehmen Glassworks vor allem grössere Aufträge.

Realisierst du nach wie vor Einzelstücke?
MG: Ja, etwa komplexe Anfertigungen für Künstler wie Philippe Parreno. Für Chanel in Moskau stellen wir eine Skulptur von
12 Metern her. Wir machen verrückte Sachen.

Und wie sieht es mit persönlichen Projekten aus, die du als Gestalter signierst?
MG: Das ist eine schwierige Frage, mit der ich mich ungern auseinandersetze. Mein Hauptprojekt ist zurzeit mein Unternehmen. Im Moment bin ich zurückhaltend mit persönlichen Projekten. Für spezielle Gelegenheiten mache ich das schon.

www.matteogonet.com

U-Bahn-Station New York: Zusammen mit der britischen Künstlerin und Filmemacherin Sarah Morris hat Matteo Gonet ein Glaskunstwerk an einer U-Bahn-Station in New York realisiert. Kommissioniert wurde das Kunstwerk von MTA Arts & Design.

Für die Headquarters von Acne Studio in Stockholm realisierte Matteo Gonet mehrere Leuchten unter anderem die «Pink Bulb». Der Entwurf stammt vom Pariser Leuchtendesigner und Lichtkünstler Benoit Lalloz.

Einer der wichtigsten Kunden Matteo Gonets ist der Künstler Pierre Yovanovitch. Für ein Haus in Quinta de la Corte, Douro, Portugal, hat er mehrere Leuchten von Matteo Gonet machen lassen.

Die Leuchte «Oops», ebenfalls entworfen von Pierre Yovanovitch und realisiert von Matteo Gonet.