Wie ist es zur Zusammenarbeit mit horgenglarus gekommen?
Frédéric Dedelley: Wir waren bereits lange in Kontakt, bis es zur Zusammenarbeit kam. Meine erste Idee war es, den «Semper»-Stuhl zu überarbeiten, damit er wieder moderner und zeitgenössischer wirkt. Das entpuppte sich schnell als Irrweg. Wir haben gemerkt, dass das keinen Sinn macht und wir uns von dieser Idee wieder lösen müssen. Danach hiess es ganz einfach, wieder bei Null zu beginnen. So haben wir erneut eine Menge recherchiert und die Kollektionen analysiert. Dies führte zu neuer Inspiration. Mit wichtigen Inputs von horgenglarus sind langsam alle Parameter des Projekts zusammengekommen. Als der erste Entwurf stand, hat sich der Geschäftsführer von horgenglarus zusammen mit seinem Team die Zeichnungen angeschaut und das Urteil war eindeutig: Meine Idee war technisch nicht umsetzbar.
Können Sie uns die Idee erklären?
FD: Mein Gedanke war, einen kleinen Sessel zu kreieren, dessen Stuhlbeine, Armlehnen und dessen Rückenteil aus einem Stück besteht. Das heisst, das Vorderbein fliesst in die Armlehne über und wird wie selbstverständlich zur Rückenlehne, die wieder zur Armlehne und zum Stuhlbein führt. Die Abwicklung des Materials war aber zu lang und zu komplex, dennoch war horgenglarus von der Typologie des kleinen Sessels angetan. Nach der Überarbeitung des Entwurfs ist der Runde Sitz von «seley» geblieben.
Können Sie uns den neuen Entwurf «seley» erklären?
FD: Das Ziel war es, einen Sessel zu entwerfen, der eine starke grafische Erscheinung und nicht allzu komplizierte Linienführungen hat. Deshalb sind wir von einer perfekten Kreisform ausgegangen. Diese hat sich zuerst in der Sitzfläche manifestiert und danach auch in weiteren Details wie der Rücken- oder Armlehne. Bereits beim ersten Entwurf war für mich klar, dass ich eine bequeme, grosszügige Rückenlehne entwerfen wollte – eine einladende Rückenlehne, die dem Sessel seine Identität und Eigenständigkeit gibt.
Wie haben Sie das Material für diese Rückenlehne ausgewählt?
FD: Formsperrholz erschien mir optimal, da man das Material dünn verarbeiten und zugleich skulptural damit gestalten kann. horgenglarus sah in Formsperrholz noch einen weiteren Vorteil: die Effizienz in der Produktion und ein gutes Kosten-Aufwand-Verhältnis. So kann der Sessel zu einem fairen Preis produziert werden, was für mich nicht die primäre Überlegung war, aber dennoch wichtig zu bedenken ist. Anschliessend gab es verschiedene Phasen, in welchen Prototypen hergestellt und immer wieder optimiert wurden. Von der ersten Skizze bis zur Produktlancierung im Dezember 2019 hat es mehr als zwei Jahre gedauert.
Ist das ein normaler Arbeitsumfang?
FD: Ja, es braucht die Zeit, wenn man ein Produkt sorgfältig entwickeln will. Dazu kommt, dass man die verschiedenen Etappen des Projektes liegen lassen und sie zu einem späteren Zeitpunkt neu betrachten kann – ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Ideen können so nachreifen. Meines Erachtens, merkt man einem Entwurf an, ob es ein Schnellschuss war oder ob man sich Zeit genommen hat, um alles mehrmals durchzudenken. Die Ausarbeitung der letzten Details haben ein halbes Jahr in Anspruch genommen. Da ging es lediglich um Feinheiten – Millimeter um Millimeter. Genau diese Feinheiten machen schlussendlich die Qualität eines Produktes aus. Es ist wichtig, dass man sich nicht zu schnell zufriedengibt, sondern immer wieder reflektiert, was man besser machen könnte, bis man schlussendlich zufrieden ist.
Ist das so, dass man am Schluss wirklich nichts Störendes mehr entdeckt?
FD: Ja, für den Moment. Vielleicht sieht es in zwei Jahren anders aus, aber momentan sind wir komplett zufrieden mit dem Produkt.
Sie haben vorhin erwähnt, dass sie den ersten Entwurf verwerfen mussten, wie gehen Sie mit solchen Dingen um?
FD: Mit der Zeit und der Erfahrung hat man weniger Mühe, sich von Ideen zu lösen. Das gehört auch zum Entwicklungsprozess. Es ist selten, dass der erste Entwurf die richtige Lösung bringt. Meistens braucht es mehrere Ansätze, die alle Anforderungen erfüllen – die technischen, die formalen, die finanziellen, die ergonomischen und so weiter. Dabei gibt es auch Momente, wo Angst aufkommt, dass sich keine bessere Idee finden lässt. Meiner Meinung nach gibt es nie nur eine einzige starke Lösung zu einer Aufgabenstellung.
Was alles sehr viel einfacher macht ...
FD: Genau, so kann man Ideen besser loslassen.
Wie war für Sie die Zusammenarbeit mit horgenglarus?
FD: horgenglarus hat eine klare Identität. Sie produzieren fast alles selber. Für uns war das Teil der Inspiration, um ein Produkt mit den Mitteln der Manufaktur, ganz unter einem Dach sozusagen zu entwerfen.
Würden Sie den «seley»-Sessel als typisches Produkt von horgenglarus beschreiben?
FD: Der Sessel verbindet das für die Marke typische Bugholz, welches auf einer 100-jährigen Maschine in Form gebracht wird und dies mit der modernsten computergesteuerten Verarbeitung. Diese Produktionsmethode sowie formale Merkmale, die sich auf bestehende Modelle der Kollektion beziehen, machen «seley» zu einem typischen horgenglarus-Produkt.
Wie sie gesagt haben, hat horgenglarus eine klare Identität. Ist es für Sie schwierig, ein Möbel zu entwickeln, das sowohl Ihren Ansprüchen gerecht wird, aber auch ins Portfolio des Unternehmens passt?
FD: Nein, im Gegenteil. Je klarer die Einschränkungen sind, desto präziser und gezielter kann ich entwerfen – und das ist für mich motivierend. Ich sehe diese Einschränkungen als Inspiration und nicht als Hürden. Für mich ist es interessant, die Parameter so eng wie möglich zu definieren, sonst verliert man sich.
Stehen Ihre Möbel denn auch bei Ihnen Zuhause?
FD: Ja, ich habe teilweise eigene Entwürfe bei mir, aber nicht nur. Ich möchte nicht nur mit meinen eigenen Entwürfen leben. Den Sessel werde ich aber auf jeden Fall bei mir Zuhause einsetzen.
Sie können auf eine breite Palette an Produkten zurückschauen. Ist es für Sie immer noch besonders, wenn Sie ein eigenes Produkt in einem Restaurant oder sonst wo sehen?
FD: Ja, auf jeden Fall – ich habe jedes Mal Freude. Ich muss aber auch sagen, dass es nicht so oft passiert, dass dies mir bereits überdrüssig wird!
An wie vielen Projekten arbeiten Sie momentan?
FD: Das ist unterschiedlich, meistens sind es zwischen fünf bis zehn Projekte, je nach Grösse. Im Moment arbeiten wir an einem Innenarchitekturprojekt für eine Kirche, an einer grösseren Ausstellung und an zwei bis drei Möbelstücken.
Wie bleiben Sie fokussiert und strukturiert?
FD: Das ist nicht immer einfach. Man muss lernen, schnell von einem Projekt zum nächsten wechseln zu können, da man nicht ein Projekt nach dem anderen bearbeiten kann. Wenn eine Produktentwicklung zwei Jahre dauert, gibt es dazwischen auch lange Pausen. Das heisst, man muss lernen zwischen den Projekten zu jonglieren – Flexibilität ist eine wichtige Eigenschaft.