Das Gut Wagram erstrahlt heute als Weinmanufaktur in neuem Glanz. Die Gestalter von destilat schufen ein harmonisches und überraschendes Zusammenspiel von Alt und Neu, von Tradition und Moderne.
Inmitten der niederösterreichischen Weinberge liegt Gut Wagram, das als versorgender Maierhof zu Schloss Winklberg gehörte und in Teilen aus dem frühen 18. Jahrhundert stammt. Vom ehemaligen Glanz war wenig übrig, bevor die Weinmanufaktur Clemens Strobl mit dem Design von destilat im historischen Ensemble ihre neue Wirkungsstätte fand. Mit Fassaden- und Platzgestaltung sowie Wegführung reicht die Arbeit des Wiener Gestaltungstrios weit über den Innenraum hinaus und auch chronologisch zurück – schon bei der Immobiliensuche haben die Innenarchitekten den Bauherren beratend begleitet. Neben dem eigentlichen Gestalten spielte bei Gut Wagram einmal mehr die Beratungskompetenz eine wesentliche Rolle in der Arbeit von Harald Hatschenberger, Thomas Neuber und Henning Weimer.
Design ist für destilat ein Prozess ohne Anfang und ohne Ende, ein Feld von grosser Neugier, ein Depot von Ideen: «In diesem kreativen Umfeld bewegen wir uns, irgendwo zwischen dem Alten und dem Neuen. Wir sind auf der Suche nach dem Innovativen, das uns vertraut erscheint, nach der Provokation, die uns berührt, nach dem funktionalen Ernst, der uns zum Lachen bringt. Wir arbeiten mit allen Emotionen und Sinnen. Kundenbedürfnisse, Funktionalität und ästhetische Qualitäten werden im Designprozess Schritt für Schritt vereint. Die Essenz dieses Prozesses ist das Produkt. Konzentriert, reduziert, destilliert.»
Wirtschaftliches Kernstück des 10'000 Quadratmeter grossen Anwesens ist die Weinmanufaktur Clemens Strobl, die sich in zwei lang gestreckten Giebelhäusern ausbreitet. Bauklotzartig verschränken sich der Weinkeller mit originalen Gewölben, Büroräumlichkeiten und ein schwebender Verkostungsraum samt Küche unter der Architekturhülle. «Möglichst wenig Design» wünschten sich die Auftraggeber, worauf destilat mit einer reduzierten Farb- und Formensprache und einer ebenso puristischen Materialwelt reagiert: feinsinnig am Altbestand orientiert und dennoch selbstbewusst als Neues erkennbar. Geschliffener Estrichboden, weisse Heraklith-Decken, ein Küchenblock aus grau lasierter Altholzfichte und Versatzstücke der Industrie-Architektur changieren in hellen Nebeltönen. Dem Licht als zentralem Gestaltungselement bieten die Strukturen im offenen Raumgefüge die perfekte Leinwand, um eine besondere Materialästhetik zu inszenieren. Das stringente Farbkonzept wird im geschlemmtem Ziegelmauerwerk der Aussenfassade fortgesetzt.
Authentische Baumaterialien und alte Handwerkstechniken spielten auch bei der Revitalisierung des Wohnhauses eine grosse Rolle. Der zweigeschossige Bau präsentiert sich von aussen mit seinem historischen Flair. Innen wurde das verwinkelte Gebäude völlig neu erschlossen: die Haupttreppe «umgedreht» und ein Geländer in historischer Formensprache entworfen, antike Fischgrät- und Tafelparkettböden aus geschichtsträchtigen Anwesen verlegt, die Kastenfenster mit Histo-Glas versehen, modernste Technik unter den tonnenschweren Gewölben mit traditioneller Pinselstrich-Oberfläche versteckt und ein komplexes Beleuchtungssystem entwickelt, das alle Räumlichkeiten – vom Wellnessbereich im Kreuzgewölbe bis zum Dachboden – im besten Licht präsentiert. Das historische Badehaus dient heute als Gästehaus, bei dem die geschnitzten Holzlauben originalgetreu restauriert und mit einem lang gestreckten Bungalow im Stil der 1960er-Jahre verbunden wurden. destilat entwickelte ein individuelles Materialkonzept, das sich in unzähligen Facetten zeigt: dies sowohl im Innenraum samt offenem Kamin und wie auch im Aussenraum, der sich über die ausgedehnte Terrasse zum vorgelagerten Schwimmteich öffnet.