Slow-Design wie vor 100 Jahren

neue räume: Salomé Bäumlin

Teppich auf Hausdach in Marokko von Salomé Bäumlin.

Teppicharbeit über den Dächern von Marokko.

Ein Einblick in Salomé Bäumlins Arbeit mit Slow-Design ist wie eine Reise in eine andere Zeit: Unter dem unendlich weit wirkenden klaren Sternenhimmel breitet sich die weite Landschaft des südlichen Marokkos aus. Erst das gleissende Licht der Mittagssonne bringt die Farben der Natur zum Vorschein. Die karge Erde leuchtet in Rot- und Gelbtönen, das Gestein glänzt von Grün bis schwarz zu weiss. Wer hier lebt, ist dem Wirken der Elemente immer während ausgesetzt. Der Wind und die Sonne zeichnen die Gesichter der Menschen, Hitze und Kälte wechseln sich ab, Tiere und Pflanzen kommen mit dem Regen und verlieren ihre Lebensgrundlage bei anhaltender Trockenheit. Dort wo das Schmelzwasser des Schnees hinreicht und Quellen fliessen haben sich Menschen niedergelassen und leben bis heute auf althergebrachte Lebensweise vermischt mit den Möglichkeiten neuer Technologien.

Das Zusammenspiel von Mensch und Natur, die gelebte Verbindung zwischen Arbeit und sozialen Kontakten und Riten bietet der Künstlerin und Designerin, Salomé Bäumlin, die Möglichkeit ihren ganz eigenen Weg im Slow-Design zu gehen. Innere Ruhe, Frieden, Liebe, Würde und gegenseitiger Respekt werden in der Zusammenarbeit mit den Berber-Frauen der kleinen Dörfer Marokkos gelebt und wirken in ihren textilen Unikaten weiter.

 

Naturbesen aus Marokko.

Einblicke in den Alltag der Berberinnen.

Salomé Bäumlin entwickelt ihr Schaffen im Bewusstsein einer Philosophie, die sich in die Linie des Bauhaus und der Independent Group reiht. Die Überzeugung dass alles im Einen seinen Ausdruck bringt, von den Materialien, über die Herstellung und die sozialen Bedingungen aller am Prozess beteiligten als auch der Gesellschaft im Ganzen, ist der Nährboden für ihre Projekte. In der Verbindung von Kunst, Handwerk und Architektur sollen Lebensräume geschaffen werden, die Lebendigkeit und Menschlichkeit ermöglichen. Wie bei Charlotte Perriand sichtbar, gründet auch Salomé Bäumlins Schaffen auf einer Sensibilität für das  Alltagsleben und dem Respekt gegenüber traditionellem Handwerk, das sich im Zuge gesellschaftlicher Umweltzungen verändert und Traditionen zu brechen wagt. Die dabei entstehenden Unikate bewegen sich im Spannungsfeld von Kunst- und Design und werden projektspezifisch insbesondere für die Kunst und Architektur geschaffen.

 

Designerin und Künstlerin Salomé Bäumlin.

Die Designerin und Künstlerin Salomé Bäumlin hat ihre Leidenschaft für Slow-Design zum Beruf gemacht.

Mit dem Wissen, das radikal neue Wege gegangen werden müssen und Veränderungen anstehen, gerade im Hinblick auf Nachhaltigkeit; dass endlich der kulturelle Aspekt mit einbezogen werden muss, begibt sich Salomé Bäumlin auf eine Zeitreise in das kleine Dorf im Siroua-Gebirge und sucht sich ihren Platz innerhalb der Frauen der Dorfgemeinschaft. Die gemeinsame Liebe zum Handwerk ist Quelle zur Kraft für einen Green-Co-Working-Space aus unterschiedlichen Frauen, Kulturen und Orten.

 

 

 

Ein Teil der Werkzeuge, die zur Wollbearbeitung gebraucht werden.

Das Beizen der Wolle findet ebenfalls auf dem Dach statt.

Kleine Schafherden ziehen von Weideplätzen zu Weideplätzen um die Dörfer des Sirouas und schenken den Menschen Wolle, die unser grundlegendes Bedürfnis nach Geborgenheit und Wärme befriedigt. Nach der jährlichen Wollrasur wird die Wolle von Hand verlesen, nach Farbigkeit sortiert, gewaschen und von Hand gekardet. Die Beobachtung an der Stille der Natur und der Wunsch Ressourcen zu schonen, ermunterte Salomé Bäumlin dazu, möglichst wenig Wolle einzufärben und mit den natürlichen Farbtönen der Schafhaare zu arbeiten. Während des Kardens mischen die Berberinnen in einem aufwändigen Prozess unterschiedliche Grau- und Beigenuancen. Und doch sind die Farben der Landschaft unglaublich schön und manchmal unverzichtbar. So werden sie mittels wild wachsender Pflanzen und Rüstabfällen von Gemüsen, Früchten und Nüssen nach einem schonenden Färbeprozess in der eingefärbten Wolle wieder lebendig.

 

Eine kleine Schafherde, die von Weideplätzen zu Weideplätzen um die Dörfer des Sirouas zieht.

Die Wolle kommt von kleinen Schafherden, die von Weideplätzen zu Weideplätzen um die Dörfer des Sirouas ziehen. 

Den stillen und meditativen Prozess des Spinnens verbringen die Frauen meist in Gemeinschaft mit Freundinnen und Nachbarinnen. Oftmals übernehmen die Grossmütter diese aufwändige Arbeit. Die schlechte Sicht und der müde Körper verhindern ihnen die Arbeit am Webstuhl umso feiner ist nun das Gefühl für die Wolle und den Rhythmus der Bewegung geworden. So entsteht in langen Stunden das Material für die gewobenen, geknüpften und bestickten Textilien und Teppiche. Ihr Wert beinhaltet nicht nur die sicht- und spürbar gewordene Form sondern auch die zahlreichen Stunden an Hingabe, die das innewohnende Material von der Aufzucht der Schafe, der Wollverarbeitung, der Wildsammlung von Färbedrogen und dem entwickelten Design erfahren hat. Die Wolle wird nun in ihrer haptischen Diversität, von fein bis rau und grob, direkt fassbar.

Webstuhl, der für die Teppichproduktion in Einsatz kommt.

Die Teppiche werden dann an einem dieser Webstühle gefertigt.

Fasziniert von der archaischen Lebensweise und ihren sehr einfach gehaltenen Alltagsgegenständen, die sowohl Gebrauch auch als die handwerkliche Herstellung offenlegen, wagt sich Salomé Bäumlin langsam ins innerste der Häuser ihrer Projektpartnerinnen vor und betritt den zentralen Raum, die Küche. Berührt vom Geruch nach Holzfeuer gewöhnen sich die Augen langsam an die Dunkelheit des verrussten Raumes. Im Lichtstrahl vom Hof wird der Ofen sichtbar. Wie eine Höhle aus Lehm offenbart dich dieser, der Ort wo mit gesammeltem Holz von Sträuchern und Wurzeln Brot gebacken wird. Grosszügig wird es beim essen verteilt, eingewickelt in Tücher nehmen es Besucher mit auf den Weg. Wo immer man hingeht, ein Stück Brot aus dem Ofen, Öl und Tee gibt es immer.

Alter Holzofen in traditionellen Häusern von Marokko.

Die Küche ist meist auch Mittelpunkt der Häuser, wo in alten Holzöfen Brot gebacken wird.

Inspiriert von der Ursprünglichkeit  des Ofens und der einfachen und reduzierten Fertigung entwickelt Salomé Bäumlin eine Unikat-Serie von Teppichen in Weiss, Schwarz und Grau die sich formal und farblich an den Ton-Ofen der Berber und ihre Lebenswelt annähern. 

Die Designerin Salomé Bäumlin gibt an unserem Stand an der Interior Design Ausstellung «neue räume 2019» einen eindrücklichen Einblick in ihre Arbeit und zeigt, wie Slow-Design auch in die heutige Zeit übersetzt werden kann. Der Vortrag findet am Freitag, 15. November 2019 um 18 Uhr statt. 

www.salomebaumlin.ch

Der runde Teppich in Naturfarben ist wie alle ein Unikat.